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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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verstehen Sie?
    Mit einer Hand bedeckte er seine Augen, mit der anderen hielt er sich den Mund zu.
    – Machen wir Schluss für heute. Und lassen Sie was von sich hören.
    Er gab mir Hand, und ich war entlassen.
    31
    Das Getümmel in meinem Kopf ließ sich nur als Gedankentumult beschreiben. Ich mochte Dieselhofers Andeutungen nicht folgen. Sie widerstrebten mir. Aber ich wollte Julius bitten, mir Informationen über diesen Eyerkauff zu beschaffen. Jeder hinterließ Spuren im Internet, und Julius war der Mann, sie ausfindig zu machen und zu lesen.
    Schon am anderen Morgen rief ich ihn an. Meinen Abstecher in die Ettstraße streifte ich nur kurz. Solange ich mit heiler Haut davonkam, war Julius abgebrüht genug, sich nicht weiter zu echauffieren.
    Meine Bitte ließ er so ungerührt an sich abprallen, als würde ich mit einer Wand Pingpong spielen.
    – Ich brauche diese Informationen unbedingt.
    Julius räusperte sich. Jetzt würde etwas Gewichtiges kommen.
    – Morgen ist Faschingsdienstag.
    – Und ganz München ist besoffen. Geht mir am Arsch vorbei, sagte ich.
    – Aber mir nicht. Natürlich hast du vergessen, dass die Band morgen in der Fußgängerzone auftritt.
    – Stimmt.
    Wahrheit musste Wahrheit bleiben.
    – Wir haben eine Vereinbarung! Du lieferst uns morgen mit dem Equipment dort an. Und das heißt: Du holst uns mit dem ganzen Krempel in der Zenettistraße ab, hilfst uns einladen, klemmst dir die Sondergenehmigung für die Anfahrt hinter die Scheibe, chauffierst uns zur Alten Akademie, baust mit auf und machst für die nächsten zwei Stunden den Claqueur. Und ab morgen Abend darfst du mich wieder darum bitten, dir aus allen großen und kleinen Katastrophen deines Lebens herauszuhelfen. Jetzt bin ich erst mal am Zug, verstehst du das?
    Ich schlug die Hacken zusammen.
    – Klar. Du kannst dich hundertprozentig auf mich verlassen.
    An einem Rosenmontag ging geschäftlich nicht viel, und so hatte ich Zeit genug, einige überfällige Arbeiten nachzuholen. Das Schaufenster musste umdekoriert werden, die Winterware musste endlich nach hinten. Im Frühling wuchs das Bedürfnis, die Wohnung mit einem neuen Stück auszustatten, einer von mir farblich aufgefrischten Kommode, einem Bauernschrank, Vasen, einem Gemälde mit Blumenmotiven – mit etwas, das einen die zehrende kalte Zeit vergessen ließ. Außerdem hatte ich meinen Anrufbeantworter abzuhören. Unter dem vielen Müll von Nachrichten befand sich wenigstens eine interessante: Die Hausverwaltung Wildgruber hatte angerufen. Eine Wohnung sei auszuräumen. Die Häuser, die Wildgruber betreute, waren allenfalls gehobener sozialer Wohnungsbau, aber Einrichtungen höheren Standards gingen auch nicht an einen Möbelabdecker wie mich. Da zerkratzten sich die Erben ihre Augen im Kampf um die besten Stücke. Ich meldete mich bei Wildgruber und sagte mein Kommen zu.
    Dann tat ich, was ich bis zuletzt vor mir her geschoben hatte. Ich rief Stan an und bat ihn um ein Treffen. Am anderen Ende der Leitung herrschte zunächst Schweigen.
    – Wo?
    – Zwischen Schwabing und Schlachthof: Wie wäre es mit der Innenstadt?
    Er blätterte in seinem Kalender, anschließend einigten wir uns auf den Aschermittwoch.
    32
    Pünktlich elf Uhr lief ich anderntags bei Julius auf. Ich hatte das T-Shirt mit der Aufschrift Staff angezogen, das ich noch von meinem letzten Einsatz als Roadie hatte. Als ich eintraf, saßen die drei alten Herren Julius, Henry und Onkel Tom noch beim Stützbier, um ihrem Gig ein solides Fundament zu geben. Sie waren nervös. Also verlor ich nicht viel Worte, sondern handelte. Mit einer Sackkarre ließ sich der ganze Krempel praktisch im Alleingang bewältigen.
    Noch im Bus konnten sich die drei nicht einigen, wie das Konzert aufzubauen war. Onkel Tom war für den Knaller gleich zu Anfang, um das Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen, Julius wollte einen ruhigen Blues, um die Flaneure in der Fußgängerzone anzulocken. Henry saß unentschieden dazwischen und lächelte achselzuckend mal nach links, mal nach rechts. Sein Gesicht war so runzlig und verwittert wie ein indianischer Medizinbeutel. Seine Mimik machte die Falten beredt, und oft schon hätte ich gern mehr von ihm erfahren. Das verweigerte er. Henry hatte viel erlebt, das wusste man, davon gab er jedoch nichts preis. Onkel Toms Abstürze hingegen waren stadtbekannt, immerhin war er als Gitarrist zeitweise eine lokale Berühmtheit gewesen. Er hatte sich wieder hochgerappelt und soeben den vorläufigen

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