Nackt schlafen ist bio
erschien mir als geschickter, aber auch sympathischer Verweis auf die gängigen Coffee-to-go-Shops, denn es sollten sich ja auch diejenigen, die keinen fair gehandelten Kaffee tranken, angesprochen fühlen. Außerdem war der Text relativ kurz und »knackig«. Zumindest war er ein ganzes Stück besser als die unglaublich bahnbrechende Erkenntnis, dass das Ausdrucken von E-Mails Papierverschwendung sein kann.
12. DEZEMBER , 287. TAG
Nur noch Bio-Honig essen
Vor ein paar Wochen hinterließ mir Mark auf dem Anrufbeantworter eine aufgeregt klingende Nachricht, in der er um meine Postleitzahl bat. Als ich ihn zurückgerufen und sie ihm gegeben hatte, legte er gleich wieder auf, was mir etwas merkwürdig vorkam, aber schließlich vergaß ich die Sache dann einfach.
Nach unserer Trennung letzten Monat hatten wir in unregelmäßigen Abständen miteinander telefoniert – ich bleibe mit meinen Exfreunden meist in freundschaftlichem Kontakt, das war also nicht ungewöhnlich –, aber dieses Gespräch war schon sonderbar gewesen. Überdies wusste ich ziemlich genau, dass Mark sich zu diesem Zeitpunkt auf Hawaii aufhielt; jedenfalls war die Vorwahlnummer, die mein Telefondisplay anzeigte, eindeutig nicht die von Portland. Einen panischen Moment lang dachte ich, er wäre vielleicht auf einer abgelegenen Pazifikinsel gestrandet oder von der polynesischen Mafia als Geisel genommen worden. Aber wozu brauchte er in diesem Fall meine Postleitzahl?
All das klärte sich auf, als mit der heutigen Post ein Päckchen eintraf, auf dem links oben Marks Name mit einer hawaiianischen Adresse als Absender prangte.
Es handelte sich um ein kleines, aber schweres Päckchen, das bereits von den kanadischen Zollbehörden geöffnet worden war (was aus einem gelben Aufkleber hervorging). Gespannt, was wohl darin sein mochte, griff ich hinein.
Wie sich herausstellte, war es Honig.
Das verwirrte mich etwas. Wieso Honig?
»Das ist hawaiianischer Bio-Honig von Volcano Island – der beste«, erklärte Mark, als ich ihn anrief, mich bedankte und gleich die Frage hinterherschob, was es mit diesem Nach-Trennungs-Präsent auf sich hatte. Ich meine, ich mag Honig, keine Frage, aber hatte dies mehr zu bedeuten, als dass er auf Hawaii ein Glas Honig gesehen und dabei an mich gedacht hatte? Sollte ich es so interpretieren, dass er nach wie vor ein süßer Typ sei und ich ihn daher bitten sollte zurückzukommen?
»Probier den Honig einfach«, sagte er, »dann wirst du schon sehen.«
Also tauchte ich den kleinen Finger in das Glas, hob ihn an die Lippen in Erwartung des vertrauten Geschmacks von Honig.
Er war gut. Sogar sehr gut. Nein, Moment, das traf es nicht: Er war »Könnte-mich-bitte-jemand-kneifen-ich-glaube-meine-Geschmacksknospen-haben-Ecstasy-genommen-und-feiern-eine-Orgie-in-meinem-Mund«-köstlich! Sämtliche nur denkbaren Klischees über Essen taugten nicht einmal annähernd zur Beschreibung dieses absolut irren kulinarischen Genusses, den ich da gerade erleben durfte. Gott segne die Bienen und ihren Drang, sich zu übergeben.
»Kein Wunder, dass der Zoll das durchsucht hat«, sagte ich und hatte plötzlich das starke Bedürfnis nach einer Zigarette. »Bist du sicher, dass das legal ist?«
Ja, antwortete er, aber dafür sei der Honig unbehandelt und ungefiltert, was ihm seinen einzigartig schillernden Glanz und seine weiche Struktur gebe. Zudem stamme er von einem Bio-Bauernhof, wo die Bienen nur den Nektar einer einzigen Blumenart sammelten.
Nachdem ich mich noch einmal – und diesmal überschwänglicher – bei Mark bedankt hatte, legte ich auf und ging online, um festzustellen, ob es zu dieser Bienenfarm eine Website gab. Ja, die gab es, samt Links zu verschiedenen Artikeln, etwa in National Geographic , in denen dieser Honig tatsächlich als »einer der besten der Welt« bezeichnet wurde, sowie eine ausführliche Schilderung der arbeitsintensiven Honiggewinnung auf dieser Farm.
Dabei fiel mir ein, dass in den letzten Monaten viel vom Bienensterben, der Colony Collapse Disorder, die Rede gewesen war, und ich glaubte mich zu erinnern, dass ökologisch gehaltene Bienenvölker nicht davon betroffen waren. Darüber wollte ich mehr wissen.
Andererseits war die Aussicht, über Honig zu recherchieren, weitaus weniger attraktiv, als Honig zu essen. Also lautete das Gebot der Stunde: delegieren.
Zu Beginn des Monats hatte mein Agent angeregt, ich solle mich nach einer Praktikantin umsehen, die mir dabei half, bei all den Öko-Nachrichten
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