Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
Vom Netzwerk:
Was meinst du? Brauchen wir ihn noch? Mit den andern haben wir eigentlich genug.«
    »Heb ihn und den Polen noch auf«, riet Reineboth, »die laufen uns nicht davon. Lass den Mandrill noch eine Weile mit ihnen spielen, vielleicht quetscht er doch noch was aus ihnen raus. Umlegen kann er sie am letzten Tage noch. Abgeschrieben sind sie ja bereits …«
     
    Förstes mutiges Eingreifen hatte das Fieber des Gemarterten gebannt. Obwohl der Mandrill die Zelle immer unter Verschluss hielt, verstand es Förste durch seine stille und entschlossene Art, sich Zutritt zu verschaffen. Mit dem Hinweis, dass nicht nur ein nasser Lappen, sondern auch Nahrung nötig wäre, den Sterbenden am Leben zu erhalten, konnte Förste den knurrenden Mandrill immer wieder beschwichtigen und Höfel warme Speisen bringen. Schattenhaft huschte der Kalfaktor in die Zelle und kühlte die brennende Stirn des Fiebernden, flößte ihm wärmendes Getränk ein, während der Mandrill in der Tür stand.
    Kropinski kauerte in der Ecke, von dem Wunder ergriffen, das an seinem Bruder geschah. Aus der zweckmäßigen Erwägung heraus, den Gequälten sich so weit erholen zu lassen, bis dieser wieder gebrauchsfähig sein würde, schonte ihn der Mandrill. Doch als er entdeckte, dass HöfelsAugen klarer wurden, verbot er jede weitere Hilfeleistung.
    Die Zelle blieb Förste wieder versperrt. Aber er hatte erreicht, den Sterbenden von der Schwelle des Todes zurückzureißen. Sonderbarerweise hatte der Mandrill den Strohsack in der Zelle gelassen.
    Kropinski verhielt sich reglos in der Ecke, nachdem der Mandrill die Zelle verschlossen hatte; aus Furcht vor ihm wagte sich Kropinski nicht zu Höfel. Der lag langgestreckt und starr. Sein Atem ging still, und der Mund stand ihm offen. Höfel schluckte trocken und flüsterte:
    »Marian …«
    »Tak?«
    »Wie lange …«, Höfels Finger schabten nervös auf dem Strohsack, »wie lange sind wir schon hier?«
    In der Ecke blieb es still. Erst nach einer Weile kam von dort die Antwort:
    »Fünf Tage, Bruder …«
    Lange hing die Antwort in Stille und Schweigen des verlassenen Raumes. Höfels Blick war zur Decke gerichtet wie die reglose Flamme einer still brennenden Kerze.
    »Fünf Tage …«
    Höfel begann zu blinzeln, und die Flamme seines Blickes bewegte sich wie im Lufthauch.
    »Du, Marian …«
    »Tak?«
    »Habe ich … hörst du, Marian?«
    »Tak.«
    »Habe ich – etwas gesagt …?« Höfel schluckte trocken.
    »Nje, Bruder …«
    »Gar nichts?«
    »Nje … Du haben nur immer geschrien.«
    »Ist das wahr?«
    »Tak.«
    Höfel schloss die Augen.
    »Und du? – Was hast du?«
    »Ich haben auch …«
    »Geschrien?«
    »Tak.«
    Stille – nichts mehr wurde gesprochen.

{II.}
     
    Draußen rannte ein Häftlingsläufer über den Appellplatz ins Lager hinein. Er suchte nach Krämer, fand ihn nicht sogleich und fragte herum: »Wo steckt er?«
    Er lief nach dem Kleinen Lager, stolperte auf den Schlammwegen über die ausgelegten Steinbrocken, bis er Krämer endlich erwischte.
    »Walter!«
    Krämer ahnte nichts Gutes. Er zog den Läufer beiseite. »Was ist?« Der junge Mensch verschnaufte sich.
    »Ein Fernschreiben! Ich habe es eben spitzgekriegt.« In seinen Augen glänzte die Angst. »Evakuierung!«
    Krämer erschrak. »Ist das wahr?« Für einen Augenblick hatte der plötzliche Schreck in Krämer alles blockiert. Gedankenstarr blickte er in das angstoffene Gesicht des jungen Menschen.
    {Evakuierung, das gefährliche Wort stieß alles nach vorn, was seit Monaten erwartet wurde.}
    Die vielen Gefahren, die durch das Vorhandensein des Kindes entstanden waren, knäulten sich jetzt zu der einen großen Gefahr zusammen. {Plötzlich stand das Ende da. Krämer war zumute, als liefen ihm die Gedanken davon und er müsse ihnen nacheilen wie Fliehenden.}
    »Was nun?«, fragte der Läufer.
    Krämers Gesicht verzog sich nervös. »Abwarten«, antwortete er, weil er keine andere Antwort hatte, und entdeckte in sich, dass er mit dem Ende nichts anzufangen wusste.
    Es war alles andere zu tun, als abzuwarten. Ein unsinnigerDrang war in Krämer, die Signalpfeife an den Mund zu reißen, durch die Blockreihen zu jagen und mit schrillen Pfiffen das ganze Lager rebellisch zu machen: »Evakuierung, Evakuierung!«
    Um seiner Verwirrung Herr zu werden, fragte er: »Weißt du etwas Genaueres?«
    Der junge Mensch schüttelte den Kopf.
    »Ich wollte es dir nur schnell sagen, oben sprechen sie bereits davon.«
    Krämer schnaufte und schob die Hände in die

Weitere Kostenlose Bücher