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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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musste hart durchgreifen und sich taub stellen gegen alle Proteste. Mit harter Hand und ohne Rücksicht auf die Belegschaftsstärke der einzelnen Blocks teilte er die Menschen auf. Nur weg mit ihnen, mochten die Blockältesten zusehen, wie sie mit dem Andrang fertig wurden.
    Wie Wasser aus einem Speirohr mussten die ins Lager einströmenden Menschen »ausgebreitet« werden, damit es zu keiner Stauung kam. Knurrig und missgelaunt zogen die Blockältesten mit den ihnen aufgedrängten Rudeln in ihre Blocks, in denen es neue Aufregungen gab, neues Gequetsch und Geschrei sich drängender und schiebender Menschenleiber. Im Innern der Pferdeställe summte und wirrte es wie im Bienenstock bei der Teilung des Stammes.
    Durch Erfahrung gewitzigt, flüchteten die »Alteingesessenen« in ihre Fächer der dreifach gestaffelten Schlafgestelle, klebten angeleimt an ihrem Platz, den sie zäh und verbissen gegen den unerwünschten Zuwachs verteidigten. Von babylonischem Sprachengewirr umschwirrt, jedoch stumpf und taub gegen das Geschrei und Gezeter der erregten Menschen, schichteten die Stubendienste die Neuen in die Obsthürden, mit stämmigen Armen die »Alten« noch enger zusammenschiebend. Trotzdem waren es nur wenige, die so in den Genuss eines Liegeplatzes kamen. Die Überzahl wurde in der Enge des Raumes, der einem überfüllten Viehwagen glich, zusammengedrängt und zusammengeschoben. Auf dem rohgedielten Fußboden sprangen die aufgescheuchten Flöhe umher.
     
    Kluttig hatte die Verhafteten in Weimar persönlich der Gestapo übergeben. Reineboth wartete indessen ungeduldig auf die Rückkehr des Lagerführers und zog sich, nachdem er gekommen war, mit ihm in sein Zimmer zurück. Dort reichte er ihm eine Liste, die Zweiling gebracht hatte. Gierig verschlang Kluttig die Namen und stöhnte vor Erleichterung: »Endlich was Greifbares! Stimmen die Namen auch?«
    Reineboth empfand den Zweifel als eine Einmischung.
    »Von denen, die hier genannt sind, könnte jeder Einzelne der geheimen Organisation angehören. Na also! Wie bitte? – Jetzt ist nicht Zeit, danach zu fragen!«
    Er ging nervös hin und her.
    »Hast du die letzten Meldungen gehört? Es geht auf Kassel zu. Von Kassel nach Eisenach kann man mit Steinen werfen. Weißt du, was das heißt?« Reineboth lachte kratzig.
    »Sei zufrieden mit dem wenigen, was ich dir zu bieten habe.«
    Kluttig hörte die Zurechtweisung aus Reineboths Worten heraus. – Wenn
der
schon nervös wurde …
    Kluttig überflog die Liste noch einmal. Krämers Name stand als erster darauf. Ihm folgten die Namen vieler langjähriger, im Lager bekannter Häftlinge. Kluttig presste die Lippen aufeinander. Er überlegte – selbst wenn der Zugriff auch nur bei der Hälfte der angegebenen Namen erfolgreich sein würde, dann genügte es bereits, in das führende Zentrum der Organisation vorzustoßen. In wenigen Tagen würde die Frontlage über das Schicksal des Lagers entscheiden! Es war wirklich nicht Zeit, umständlich zu fragen und zu prüfen. Hier musste zugegriffen werden.
    Sorgfältig steckte Kluttig die kostbare Liste zu sich. Die zusammengepressten Lippen verzogen sich zu einem hässlichen Strich. »Damit blasen wir dem Diplomaten Pfeffer in den Arsch. Wenn er hier nicht anbeißt, dann schleppe ich ihn noch in letzter Minute vor ein Ehrengericht.« Kichernd warf sich Kluttig auf einen Stuhl. »Eigentlich ist es ein gutes Netz, das wir da gesponnen haben, was meinst du? Die Gestapofritzen in Weimar kneten die Kerle nach dem Kind aus, und sie finden es, verlass dich drauf. Das ist die Flanke.« Er klopfte auf die Tasche, in der die Liste steckte. »Und das der Frontalangriff. Aber«, blinzelte er Reineboth an, »was machen wir mit denen?« Reineboth unterbrach seine unruhige Wanderung und fuhr Kluttig gereizt an. »Umlegen, Mensch! Was sonst? Oder willst du erst die Böckchen von den Schäfchen sondern? In den Steinbruch mit ihnen und abgeknallt die ganze Rotte.«
    Mit einer unbehaglichen Bewegung hob Kluttig den Adamsapfel aus dem Kragen der Uniformjacke. Reineboth sah es. »Hast wohl wieder mal Angst vorm Diplomaten, was? – Tja, mein Lieber, wer ›A‹ sagt, muss auch ›B‹ sagen. Ich kann dir das Netz knüpfen helfen, aber daran ziehen musst du schon selber, das ist deine Sache. Schließlich bist
du
Lagerführer und nicht ich.«
    Kluttig, obwohl er angestrengt nachdachte, sah den Jüngling leer an, schließlich nickte er. »Gut. Du hast recht. Das ist meine Sache.« Er stand auf. »Und Höfel?

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