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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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Pippig trocken und in plötzlichem Ärger über Roses schlotternde Angst. Er lehnte sich an die Wand und sah auf Roses krummen Buckel mit dem tief eingezogenen Kopf. Aus dem kurzgeschorenen Haar stach die kreisrunde Glatze wie eine Tonsur heraus.
    Pippig spürte, dass er für das Schwere, das noch auf sie wartete, in Rose keinen Kameraden finden würde. Mit aufsteigender Verwunderung entdeckte Pippig, wie wenig er über ihn eigentlich wusste. Der sollte für seine Partei noch kassiert haben, das war der Grund seiner Verhaftung gewesen. Mehr wusste Pippig nicht. Mit dem zähen Eifer eines schlechtbezahlten Angestellten hatte Rose die täglichen Schreibereien des Kommandos erledigt, und er hätte an Stelle der gestreiften Häftlingskleidung ebenso gut einen abgeschabten Kammgarnanzug tragen können. In seiner ewigenAngst aufzufallen, war Rose oft das Objekt gutgemeinten Spottes gewesen. Keiner hatte ihn jemals ernst genommen. Zwar galt er im Kommando als zugehörig und hatte auch niemals Anlass zu Misstrauen gegeben, doch führte er unter den anderen ein eigenbrötlerisches Dasein.
    Pippig stierte auf den hässlichen Buckel und wusste auf einmal: Hier hockte der Verrat mit ihm zusammen!
    Gleichzeitig aber schüttelte Pippig das Misstrauen ab, das ihm mit dieser Erkenntnis gekommen war: Rose war doch im Grunde kein schlechter Kerl. Der hatte nur Angst. Na klar, der hatte nur Angst.
    Pippig stieß sich von der Wand ab und ging zu Rose. »Du bist doch kein schlechter Kerl, August.«
    Rose antwortete nicht. Er brütete vor sich hin. Pippig zögerte einen Augenblick, dann setzte er sich entschlossen neben dem Schemel auf den Fußboden.
    »Hör zu, August! Wegen dem Kind, da hab mal keine Bange. Du weißt eben nichts.«
    Rose bellte auf: »Ich weiß es aber!«
    »Nee!«, fuhr Pippig auf ihn ein. »Du weißt nichts!
Gar nichts!
Und wenn du nichts weißt, dann kannst du auch nichts erzählen!« Rose spürte die Beeinflussung und schwieg störrisch. Pippig stieß ihn ans Knie. »Hast du’s gehört? – Ich weiß auch nichts, und von den andern weiß auch keiner was. Und wenn
wir alle
nichts wissen … na, August …« Rose antwortete nicht. Pippig drang voller Leidenschaft auf den Schweigenden ein.
    »Mensch, August! Willst du etwa als Einziger …? Du bist doch unser Kumpel! – Denk jetzt nicht an das Kind! Denk an uns alle! Vielleicht hat uns Zweiling hierhergebracht. Vielleicht war es der Zinker Wurach? – Hör zu, August! Du bist doch kein Zinker!«
    Rose keuchte vor Qual. Sein verschlossenes Gesicht riss sich schmerzvoll auf, der Adamsapfel zitterte.
    »Ich will nicht kaputtgehen zum Schluss, ich will nicht kaputtgehen …«
    Pippig sprang auf die Beine und fluchte: »Gottverdammmich!« Er rüttelte Rose heftig an der Schulter.
    »August, Menschenskind! Überleg doch! Glaubst du, dass die fünf Minuten vor Torschluss noch Kantholz machen? So dämlich sind die auch nicht. Sie werden sich hüten! Das ist doch unsere große Chance! Wir müssen nur zusammenhalten!«
    Rose äffte: »Zusammenhalten! Die schlagen uns die Knochen im Leibe entzwei.«
    Pippig ließ von ihm ab. Er steckte die Hände in die Taschen und ging mit sicheren Schritten durch die Zelle.
    »Auf ein paar in die Fresse müssen wir uns gefasst machen{, na, wenn schon} …«
    Die Zelle wurde aufgeschlossen. Der Schließer hielt die Tür in der Hand. »Pippig zur Vernehmung!«
    Pippig fuhr erschrocken herum, sah auf den alten Beamten, der, in sein unschönes Amt ergeben, an der Tür wartete.
    Pippig hob gleichgültig die Schultern hoch und ging. An der Tür drehte er sich noch einmal zu Rose um, lachte: »Na, August, pippst du oder pipp ich? – Ich pippe!«
    Rose sah erstarrt auf die Tür, die sich hinter Pippig geschlossen hatte.
     
    Zur gleichen Stunde befand sich Bochow mit Bogorski zusammen. Mit den letzten Zugängen, die das Bad verlassen hatten, war auch der Scharführer gegangen. Die Häftlinge des Kommandos säuberten den Brauseraum.
    »Es geht los, Leonid.«
    Bochow ließ sich schwer auf einen Schemel nieder.
    »Genaues weiß ich nicht, aber – Krämer hat es mir eben gebracht. Sie wollen evakuieren.«
    Die Mitteilung schien Bogorski gar nicht so stark zu beeindrucken.Oder verbarg er sich nur vor Bochow? Der stand auf, sah vor sich auf den Boden und hob schließlich den Blick zu Bogorski auf.
    »Tja, was nun?« In der Frage lag nicht Ratlosigkeit, sondern sie umfasste das Schicksal der 50   000 Menschen. Umfasste alle seit Monaten immer wieder

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