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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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glichen sie sich alle untereinander in ihren dreckigen Lumpen mit dem roten Winkel und der Nummer auf der Brust, mit ihren kahlgeschorenen Schädeln … So fragte auch Runki nicht viel, als ihm Bochow die Bestandsmeldung abnahm.
    Im Nebenraum der Schreibstube, in dem die beiden Lagerältesten Krämer und Pröll ihren Platz hatten, war der allabendlicheBetrieb schon vorbei. Pröll, der zweite Lagerälteste, hatte in der Schreibstube zu tun. Außer Krämer, dem ersten Lagerältesten, der den Gesamtbestand des Lagers für den kommenden Morgenappell an Hand der einzelnen Blockmeldungen zusammenstellte, waren nur noch einige Blockälteste und -schreiber anwesend, die ihre Meldungen bereits abgegeben hatten und herumklönten. Bochow trat ein. An seinem Verhalten – Bochow zögerte, die Meldung an Krämer weiterzugeben – erkannte der Lagerälteste, dass der Blockschreiber von 38 etwas auf dem Herzen hatte. Auch Krämer gehörte zu dem Kreis der Wissenden und Schweigenden. {Sein Vorgänger war ein von Kluttig ausgewählter Berufsverbrecher gewesen, der seinen Posten persönlicher Vorteile wegen missbraucht hatte und bald wieder abgelöst worden war. Die Einsetzung Krämers als »LA-I« war der Ausdruck von Gegensätzen zwischen Kluttig und Schwahl. Kluttig benutzte mit Vorliebe kriminelle Elemente für die Posten im Lager und machte die Verbrecher zu Spitzeln und Zuträgern. Schwahl – entsprechend seiner Erfahrung als ehemaliger Zuchthausinspektor – nutzte lieber Intelligenz und Korrektheit der Politischen aus. Er selbst hatte Krämer als neuen »LA-I« eingesetzt, und die Folgezeit schien ihm damit recht zu geben. Seit Krämer »LA-I« geworden war, hörten die Schweinereien und Durchstechereien im Lager auf. Schwahl wusste, dass er sich auf »seinen« LA-I verlassen konnte. Immer stand Krämer im Mittelpunkt der Ereignisse. Alles, was im Lager geschah, konzentrierte sich auf seine Person. Die Befehle erhielt er durch Schwahl, durch die Lagerführer und den Rapportführer. In seiner Person löste sich der unmittelbare Kontakt zwischen der Lagerführung und dem Lager selbst aus. Die Befehle mussten durchgeführt werden. Stets aber so, dass es galt, Leben und Sicherheit der Häftlinge zu schützen.} Das bedurfte oft der Klugheit und des geschickten Manövrierens. Krämer, derkompakte, breitschultrige Kupferschmied aus Hamburg, war die Ruhe selbst. Ihn konnte so leicht nichts erschüttern. In verschwiegener Zusammenarbeit mit den Genossen der Partei füllte er seinen schweren Posten aus. Die Partei in ihrer Lagerillegalität stand ihm in Person Herbert Bochows gegenüber. Ohne dass es jemals ausgesprochen worden war, wusste Krämer, was von Bochow kam, das kam von der Partei. In seinem Bestreben, dem Lagerältesten möglichst wenig Einblick in das illegale Gefüge zu geben, übertrieb Bochow stark. »Frag nicht danach, Walter, es ist besser für dich«, war oft der Einwand, wenn Krämer den Sinn mancher Anweisung erfahren wollte, die Bochow ihm brachte. Krämer schwieg gewöhnlich, obwohl es ihm manchmal sonderbar erschien, aus Anweisungen »Geheimnisse« zu machen. Dann war er versucht, Bochow auf die Schulter zu klopfen: »Mach’s nicht so spannend, Herbert, ich weiß Bescheid …« Oft belustigte er sich im Stillen über sein Wissen von dem, was er nicht wissen durfte, oftmals aber ärgerte er sich auch darüber. In vielen Fällen hätte Bochow nach Krämers Meinung besser getan, ein offeneres Wort zu sprechen. So auch jetzt, nachdem er den überflüssigen Besuch mit freundlichem Gebrumm hinausbefördert hatte. Er sah Bochow auffordernd an.
    »Eine dumme Geschichte«, begann dieser.
    »Was ist los?«
    »Du stellst einen neuen Transport zusammen?«
    »Na und«, fragte Krämer zurück. »Pröll macht drüben die Liste fertig.«
    »Da ist mit dem letzten Schub ein Pole mitgekommen. Zacharias Jankowski heißt er. Er ist sicher im Kleinen Lager. Kannst du ihn in den Transport hineinstecken?«
    »Was ist mit ihm?«
    »Nichts«, entgegnete Bochow dunkel. »Du musst dich mit Höfel in Verbindung setzen. Er gibt dir was mit für den Polen.«
    »Was?«
    »Ein Kind.«
    »Ein was???« Krämer warf den Bleistift hin, mit dem er die Eintragungen gemacht hatte. Bochow bemerkte Krämers Überraschung. »Bitte, frag mich nicht. Es muss sein.«
    »Aber ein Kind? Mensch, Herbert! Der Transport geht ins Ungewisse! Du weißt, was das heißt?«
    Bochow wurde nervös. »Ich kann dir nichts weiter sagen.« Krämer stand auf. »Was ist das

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