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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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gingen. In getriebener Hast suchte er den Raum ab, schleuderte mit wütenden Stiefeltritten die Strohsäcke der Pfleger beiseite. Aus Furcht vor Ansteckung wagte er nichts mit den Händen zu berühren, stöberte deshalb mit Füßen und Augen überall umher, fand nichts, trieb die Polen vor sich her in den Krankenraum, ließ den Strahl der Lampe hin und her gleiten, kreischte: »Alles aufstehen!«
    In den Obsthürden rumorten aufgescheucht die »Leichteren«, und auf den Strohsäcken lagen teilnahmslos die »Schweren«.
    Kluttig stieß Zidkowski den Strahl der Lampe ins Gesicht.
    »Verstehst du Deutsch, du Hund?«
    Zidkowski nickte: »Ich ein wenig.«
    »Alles soll aufstehen! Los, los, sag’s!«, fuchtelte Kluttig mit den Armen. Zidkowski gab den Befehl in Polnisch weiter. Aus den Obsthürden quollen die Kranken heraus und stellten sich auf. Angehörige anderer Nationalitäten begriffen die Anweisung und krochen aus den Verschlägen. Kluttig leuchtete in die Fächer hinein.
    »Was ist mit denen da?«, schnauzte der Blockführer barsch und wies auf die Strohsäcke.
    Zidkowski hob die Arme. »Sind sterben oder schon tot …«
    Kluttig{, der in seiner Hast nicht wusste, wo er zuerst suchen sollte,} schrie Zidkowski an: »Scheiße! Runter mit dem Gelumpe!« Er trat mit dem Stiefel einen der Zunächstliegenden vorn Strohsack. Die Polen machten sich daran, die Schwerkranken von den Säcken zu heben, sie mussten {sie übereinanderstapeln, weil kein Platz vorhanden war. Die Kranken, aus ihrer Lethargie gerissen, stöhnten und wimmerten}. Kluttig trampelte sinnlos auf den Strohsäcken herum und stieß mit dem Stiefel darunter. {Er kapitulierte aber vor der Unmöglichkeit, Hunderte von Strohsäcken zu untersuchen.}
    Kreischend trieb er Zidkowski und die Pfleger wieder in den Verschlag zurück und schrie sie an: »Wo habt ihr das Kind? Raus mit ihm, ihr Sauhunde!« Vor seinen wütenden Tritten flüchteten die Pfleger in die Ecken. Zidkowski, noch voll des Staunens über das unerklärliche Verschwinden des Kindes, stammelte: »Kein Kind. Wo ist Kind?« Ohne Furcht vor Kluttig und dem Blockführer riss er Decke und Strohsack von seiner Bettstatt. »Wo ist Kind?«, rief er und sah sich verzweifelt im Raume um.
    Kluttig gab es auf. In höchster Wut kreischend, versetzte er Zidkowski einen Tritt und verließ, vom Blockführer gefolgt, in überstürzter Hast die Seuchenbaracke.
    Soweit sie sich im Dunkeln zurechtfinden und erkennen konnten, verständigten sich die vier Polen untereinander.Hastig stellten sie im Krankensaal die Ordnung her, schickten die verstörten »Leichteren« wieder in ihre Verschläge und legten die Schwerkranken auf die Strohsäcke zurück. In ihrem Raum aber standen sie dann fassungslos. Wo war das Kind? Welch ein Wunder hatte sich ereignet! Noch am Abend hatte Zidkowski das Kleine zu sich genommen, und jetzt war es verschwunden!
    Unmöglich, dass es die Baracke verlassen hatte. Hier war ein Gotteswunder geschehen. Ratlos standen sich die vier Menschen gegenüber und hatten keine Erklärung. Zidkowski ließ sich langsam auf die Knie, faltete die Hände, neigte den Kopf und schloss die Augen.
    »Heilige Jungfrau Maria …«
    Die drei Pfleger folgten seinem Beispiel.
     
    So überhastet, wie Kluttig ins Lager gestürzt, eilte er in seine Wohnung zurück und stellte sofort eine telefonische Verbindung mit Gay her. Doch der befand sich schon in seiner Privatwohnung, die im Gebäude des Marstalls lag. Er hatte sich noch nicht zu Bett gelegt, denn auch er traf bereits Vorbereitungen zur Flucht. In seinem Arbeitszimmer sortierte er Papiere, verbrannte Stöße von Akten und Unterlagen. Da erreichte ihn der Anruf von Kluttig, der sich mit der Privatwohnung hatte verbinden lassen. »Was sagst du?«, schrie Gay in den Hörer, »nicht zu finden?« In Gay schoss helle Wut hoch.
    »Verdammtes Gesindel!« Er knallte den Hörer auf. –
     
    Pippig bewegte sich. Er streckte die gekrümmten Beine aus. Der kurze Augenblick des Erwachens war wohltuend, doch nur so lange, als sich das wiederkehrende Bewusstsein orientierte und Pippig erkannte, wo er sich befand und was mit ihm geschehen war. Zugleich auch kamen die Schmerzen wieder, die wie Feuer überall im Körper brannten. Sie drohtendas Wachsein erneut im Delirium zu ertränken, und Pippig raffte im stillen Kampf dagegen seine ganze Kraft zusammen, um sich die Klarheit des Verstandes zu erhalten, denn er wusste, dass es mit ihm zu Ende ging.
    Pippig kontrollierte die

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