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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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und keifte: »Wer hat mich denn auf die Gestapo gehetzt?«
    Reineboth verteidigte sich: »Habe ich dir nicht auch gesagt, dass sie sich den Wechselbalg wie einen Ball zuwerfen und du rennst im Kreise herum wie ein blinder Schäferhund?«
    Er zündete sich eine Zigarette an.
    »Leg die Kerls auf der Liste um, wie es dir Schwahl befohlen hat, dann hast du wenigstens etwas Greifbares.«
    »Damit hat der Lahmarsch mich eingewickelt«, knurrte Kluttig böse. »Ich helfe ihm noch dabei, den Schrott ohne Aufsehen fortzuschaffen.«
    »Was gar nicht so dumm von ihm ist«, meinte Reineboth und trat zur Landkarte. Er betrachtete sie sich angelegentlich, zog eine der buntköpfigen Nadeln heraus, die auf dem Ort Treysa steckte, und drückte sie in den Punkt der Karte, der als Hersfeld bezeichnet war. Seiner Gewohnheit folgend, schob er den Daumen hinter die Knopfleiste und trommelte nachdenklich mit den Fingern.
    Daraufhin drehte er sich zu Kluttig um und sah ihn an. Der hatte das Umstecken der Nadel beobachtet. Reineboth setzte sich lässig hinter den Tisch, grätschte die Beine und stemmte die Arme gegen die Tischplatte.
    »Im Übrigen bin ich der Meinung, dass unser Diplomat nicht so unrecht hat …«
    Kluttig ruckte mit dem Kopf so heftig hoch, dass es ihn im Genick schmerzte. Er erhob sich und ging auf Reineboth zu, baute sich vor dem Tisch auf.
    »Willst du damit sagen …«
    Sie fixierten sich.
    »Aha«, höhnte Kluttig, »Diplomat Nummer zwei …«
    Reineboth lächelte mokant. Kluttig kläffte ihn an: »Und wer hat sich vor kurzem noch an die Jacke geklopft: Solange ich diese Uniform trage …«
    Reineboth entgegnete: »Tja, wie lange noch …«
    Kluttig schob giftig das Kinn vor, die Reflexe auf seinen dicken Brillengläsern wurden spitz. »Also, der mutige Kämpfer lässt mich nun auch im Stich …«
    Er schlug mit der Faust auf die Tischplatte. »Ich bleibe, wer ich bin, solange ich lebe!«
    Reineboth zerdrückte die Zigarette im Ascher und erhob sich, elegant und geschmeidig.
    »Ich auch, Herr Hauptsturmführer, nur …«, er schob schlau die Augenbrauen hoch, »nur – unter veränderten Bedingungen.«
    Dabei tippte er auf die Landkarte. »Hersfeld – Erfurt – Weimar …« Er lächelte Kluttig zynisch an. »Heute haben wir den 2. April. Wie viel Tage werden uns noch bleiben? So viel?«
    Vor Kluttigs Augen spreizte er wie ein Taschenspieler die zehn Finger aus.
    »Oder so viel?« Er drückte die rechte Hand zu.
    »Oder so viel?«, und knickte Finger um Finger der linken Hand um. »Englisch lernen und auf dem Kien sein«, sagte er, wie schon einmal.
    »Du aalglatter Hund«, zischte Kluttig.
    Reineboth lachte, er fühlte sich nicht beleidigt. Sich alleingelassen wähnend, fauchte Kluttig: »Dann bleiben nur noch Kamloth und ich.«
    »Kamloth?«, Reineboth legte skeptisch den Kopf schief, »verlass dich nicht auf den. Der will so bequem wie möglich abhauen.«
    Kluttig kreischte seine Ohnmacht aus sich heraus. »Dann bleibe ich!«
    »Wieso«, fragte Reineboth, Kluttig absichtlich falsch verstehend, »willst du hierbleiben?«
    Kluttig knirschte: »Seit Wochen spüre ich der Bande nach, und jetzt, wo ich eine Spur habe, soll ich mich feige davonmachen?« Er riss die Liste aus der Tasche und ging zum Lautsprecheraggregat.
    Reineboth stutzte. »Was willst du?«
    Kluttig fuchtelte mit der Liste. »Die hole ich mir jetzt ran, schaffe sie nach dem Steinbruch und lasse sie abknallen!«
    »Vor allen Leuten? Im Steinbruch arbeiten 300 Häftlinge, Mensch!«
    »Das ist mir egal!«, schrie Kluttig.
    Reineboth nahm Kluttig die Liste weg. »Befehl mit aller Vorsicht und Klugheit durchführen, Herr Lagerführer.«
    {»Ach was«, belferte Kluttig.} »Soll ich sie etwa heimlich, still und leise …«
    »Durchaus nicht«, erwiderte Reineboth mit überlegener Klugheit, »Sache geht ganz offiziell. Die Liste wandert nach der Schreibstube, ganz offiziell, verstanden, Herr Lagerführer? Alle genannten Häftlinge haben morgen früh am Schild 2 anzutreten.«
    Reineboth kniff ein Auge zu. »Entlassung, you understand, Mister? Parole Heimat! Auto, Eskorte, Wald, Salve – aus.«
    Reineboth legte die Liste in das Rapportbuch.
    »Mit aller Vorsicht und Klugheit, so hat es unser Diplomat gemeint.«
    Wie so oft musste sich Kluttig der größeren Schlauheit des Jünglings unterlegen bekennen, er tat es mit einer giftigen Bemerkung: »Du hast dich dem Diplomaten gut angepasst.«
    »Im Gegenteil«, widersprach Reineboth mit der ihm eigenen Glätte,

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