Nackt unter Wölfen
Spur des Lachens auf dem Gesicht.
»Was ihr euch mit dem Amerikaner denkt – ist nicht. Ich lege noch alles um hier im Bunker. – Ihr zwei kommt zuletzt dran.« Es schien ihm schon zu viel, was er gesagt hatte. Wortlos legte er den beiden die Schlinge über den Kopf und zog sie fest, wie man eine Krawatte bindet.
»Die behaltet ihr um, bis zuletzt. Fünf Minuten vorher, ehe ich abhaue, komme ich und – kcks …«, quetschte er mit einer bezeichnenden Handbewegung durch die Zähne. Er schwieg wieder und begutachtete die mit dem Strick Dekorierten, hatte aber das Bedürfnis, noch etwas zu sagen.
»Wenn ihr euch vorher aufhängt, dann trete ich euch noch in den Arsch, weil ihr mich um mein letztes Vergnügen gebracht habt.« Mehr brachte er nicht aus sich heraus.
So unheimlich langsam, wie er die Zelle betreten hatte, verließ er sie wieder. Draußen nahm er die Zigarette vom Ohr und zündete sie an. Gedankenlos sah er dem Kalfaktor zu und zog sich schließlich in seine Stube zurück.
Förste fegte den zusammengekehrten Schmutz auf die Kehrichtschaufel und warf ihn in die Kiste, die in der Ecke des Ganges stand.
Das in seinem schweigenden Ablauf so grauenvolle Erleben hielt die Sinne der beiden noch im Bann, nachdem sie bereits geraume Zeit allein mit sich waren. Langsam nur schien in Höfel das Blut wieder zu kreisen, und es war wohltuend, zu fühlen, wie der furchtbare Gedanke, der alle Lebensfunktionengehemmt hatte, sich auflöste und verschwand. Jetzt wurde es Höfel auch wieder bewusst, dass er atmete, und er zog befreit den Zellengestank ein wie frische Luft.
»Bruder …«, flüsterte Kropinski, der hinter Höfel stand.
Das schlichte Wort fand den Weg zu Höfels Herzen, er konnte nicht antworten, aber dankbar streckte er die Hand nach hinten aus, still umschloss sie der Pole. Das warme Lebensgefühl strömte über von einem zum andern, und ihr Schweigen war größer als alle Worte.
Bereits um die Mittagszeit befahl Reineboth durch den Lagerlautsprecher den Kapo der Häftlingsschreibstube zu sich. Er übergab ihm die Liste.
»Die Vögel treten morgen früh am Schild 2 an. Mit sauber gescheuerten Füßen, verstanden? Man soll uns nicht nachreden, dass wir die Leute dreckig nach Hause schicken.«
Entlassungen? –
Seit Jahr und Tag war kein Politischer entlassen worden. In die Schreibstube zurückgekehrt, studierte der Kapo die Liste. Sie enthielt 46 Namen von Blockältesten, Kapos und anderen Lagerfunktionären, die alle langjährige, zuverlässige und im Lager bekannte Häftlinge waren. Auch seinen eigenen Namen und den des zweiten Lagerältesten Pröll fand der Kapo vor.
Hier stimmte etwas nicht.
Der Kapo ging zu Krämer hinüber, Pröll war mit anwesend. Krämer lachte grimmig auf, nachdem er die Liste gelesen hatte.
»Entlassungen? Gleich ein ganzes Rudel und das kurz vor der Evakuierung? – Ein Banditenstreich ist das!«, polterte er. »Eine gottverfluchte Zinkerei!«
»Ich muss die Bestellscheine für Schild 2 ausschreiben, was soll ich machen?«, fragte der Kapo. In Pröll stieg eine Ahnung auf. »Ob die uns umlegen wollen?«
Er sah Krämer bedeutungsvoll an. Der wollte es nicht bestätigen, obwohl er den gleichen Gedanken hatte.
»Abwarten«, sagte er neutral, »du unternimmst nichts, bevor du von mir Anweisung bekommst«, wandte er sich an den Kapo. »Lies mir die Namen vor, ich schreibe sie mir auf.«
Seine Hand zitterte trotz unerhörter Erregung nicht, als er schrieb. Er wusste es plötzlich ganz klar, und es bedurfte keines Beweises, dass diese 46 erschossen werden sollten. Warum aber stand er nicht mit auf der Liste, obwohl er bei jenen da oben als der führende Kopf galt? Gehörten die 46 dem ILK an? Bochow musste es wissen, mit ihm hatte er jetzt zu sprechen. Er ging zu ihm auf den Block.
Es fügte sich günstig, dass die Stubendienste mit den leeren Essenkübeln zur Küche unterwegs waren, vor Runki brauchten sie sich nicht zu verbergen.
»Euern Bettenbau will ich mir mal ansehen«, sagte Krämer, »komm mit in den Schlafsaal, Herbert.« Ein Vorwand. Falls der Blockführer unverhofft auftauchen sollte, galt er als Stichwort für Krämers Anwesenheit. Im Schlafsaal verständigte sich Krämer mit Bochow in knappen Worten und reichte ihm die abgeschriebene Liste. Bochow las sie wortlos.
»Ist einer von euch dabei?«, fragte Krämer. Bochow schüttelte den Kopf. »Nicht einer.«
»Gut«, entgegnete Krämer beruhigt. Sie gingen langsam bis zum hinteren Ende des
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