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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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    In den Blocks horchten die Häftlinge auf. Es knackte in den Lautsprechern, und das probierende Pusten war vernehmbar. Alle lauschten. Reineboths lässiger Jargon war zu hören.
    »Der Lagerälteste und der Kapo vom Lagerschutz sofort zum Tor.«
    Die Durchsage, sonst nichts als eine der lagerüblichen, jetzt war sie Sensation, wie alles, selbst das geringste Ereignis,zur Sensation wurde. Die Häftlinge waren durch den Befehl, in den Blocks zu bleiben, wie eingeschnürt. In allem, was geschah, witterten sie Unheil und Bedrohung. An den Fenstern der ersten Blockreihe am Appellplatz lugten neugierige Gesichter. Die beiden Gerufenen eilten im Laufschritt den Appellplatz hinauf. Oben trat Weisangk durch das schmiedeeiserne Tor ins Lager herein. In den anderen Blocks, von denen aus der Appellplatz nicht zu sehen war, ebbten die erregten Gespräche ab; die Häftlinge, an den langen Tischen zusammengedrängt, erwarteten neue Durchsagen. Aber die Lautsprecher blieben stumm. Was braute sich zusammen?
    »Wo sind die Leit’?«, empfing Weisangk die Gerufenen. »Warum treten die 46 nicht an?«
    Mit dienstlicher Sachlichkeit antwortete Krämer: »Es ist mir nicht bekannt, warum sie nicht angetreten sind.«
    »Sie sollen antreten«, polterte Weisangk, »es passiert ihnen nichts. In Buchenwald wird koaner mehr umgelegt. Sind die Leit’ noch im Lager?«
    »Meiner Ansicht nach müssen sie noch im Lager sein.«
    Weisangk trat von einem Bein aufs andere. »Also suchen«, wandte er sich an den Kapo. Jede weitere Erörterung der Angelegenheit überschritt Weisangks Fähigkeiten, er wusste, dass Kluttig, von Schwahl telefonisch herbeigerufen, jetzt im Dienstzimmer war, und der musste vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Weisangk machte eine fahrige Handbewegung.
    »Bis zum Mittag san die Leit’ hier, verstanden?«
    »Jawohl.«
    Es bedurfte zwischen Krämer und dem Kapo keiner besonderen Verständigung, als sie den Appellplatz hinuntergingen.
    »Ihr sucht selbstverständlich fleißig bis zum Mittag«, raunte Krämer.
    »Klar, Walter«, gab der Kapo zurück. »Nur – ob wir einen finden werden … Was meinst du?« Er sah Krämer mit zugekniffenem Auge an.
     
    Es schien, als sollte es wieder einen Zusammenstoß geben. Voller Gift, dass es die Häftlinge gewagt hatten, Trotz zu bieten, fauchte Kluttig auf Schwahl ein.
    »So weit haben Sie es mit Ihrer Diplomatie gebracht. Nun tanzen uns die Kerls auf der Nase herum!«
    {»Bahbahbah«, machte Schwahl aufgeplustert. »Der Lagerschutz sucht bereits.«}
    »Der Lagerschutz? Sind Sie von Gott verlassen, Mann? Hier gehört eine Kompanie SS her! Jeder Strohsack muss umgekrempelt werden!«
    In Bedrängnis hob Schwahl die Arme hoch. »So geht’s nicht weiter mit uns beiden! Sie bringen mir alles durcheinander und trampeln wie ein Ochse im Porzellanladen herum!«
    »Standartenführer!«, trompetete Kluttig beleidigt.
    Auch Schwahl wollte losschreien, aber er brachte nur ein Ächzen heraus und schleuderte mit den Händen die aufgeschossene Wut von sich.
    »Sag Schwahl zu mir oder meinetwegen Zuchthausbulle, wie früher, als wir noch intim miteinander waren.«
    Er entnahm dem Schreibtisch eine Flasche Kognak und zwei Gläser und stellte sie auf den Konferenztisch. Hintereinander leerte er zwei Gläser und ließ sich vernichtet in einen der schweren Sessel fallen.
    »Wenn du nur vernünftig werden wolltest«, ächzte er, »wir müssen fort, es geht uns an den Kragen.«
    In seinen kleinen Augen flimmerte es, die Hände zitterten ihm. »Setz dich«, sagte er nervös, und als Kluttig der Aufforderung nicht sofort nachkam, schrie er ihn an: »Hast du gehört, du Plissierfritze, du sollst dich setzen!«
    Mit galligem Grimm nahm Kluttig Schwahls innere Auflösung wahr. Obwohl auch ihm die Bedrängnis unter der Uniform saß, zischte er durch die Zähne: »Der Herr Standartenführer bekommt es mit der Angst …«
    »Lass endlich den verdammten Standartenführer beiseite, ich kann es nicht mehr hören!«{, schrie Schwahl und trommelte mit den Fäusten auf den Tisch.} Plötzlich brach er ab, stierte unbeweglich vor sich hin und blickte dann zu Kluttig auf mit einem so veränderten Ausdruck, als wäre ihm das Gesicht heruntergefallen.
    Die Katastrophe blieb nicht ohne Wirkung auf Kluttig. Im Bedürfnis nach Luft schob er den Adamsapfel aus dem Kragen, setzte sich wortlos an den Tisch und trank das bereitstehende Glas leer. Schwahl beobachtete ihn dabei und gewahrte, dass auch ihm die Hand zitterte. Ein

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