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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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Kanalschacht. Im Augenblick, da Pröll in ihm unterschlüpfen wollte, tauchten hinter einer der vielen Baracken zwei SS-Leute auf, schattenhaft nur erkennbar. Ein großer Hund lief {spurschnuppernd} vor ihnen her. Von Zeit zu Zeit beleuchteten sie ihren Weg mit einer abgeblendeten Stablampe. Die vier Häftlinge standen zu Stein erstarrt und wagten nicht zu atmen. Die SS-Leute gingen in kaum 15 Meter Entfernung an den Baracken entlang. Ihre Tritte knirschten. AngstgeweitetenAuges sah Pröll die SS-Leute näher kommen. Jetzt überquerten sie den freien Raum zwischen den Baracken, auf dem sich auch der Kanalschacht befand. So deutlich, wie die vier Häftlinge die SS-Leute sehen konnten, so deutlich mussten doch auch sie selbst von diesen gesehen werden …
    Wenige Meter freier Raum nur lag zwischen ihnen. {Ein Stocken, ein Stehenbleiben, ein Anruf oder gar ein Schuss …} Der Hund; hob er den Kopf? Witterte er? In dieser furchtbaren Starre stockte das Herz. – Die SS-Leute hatten den freien Raum überschritten und gingen an der Barackenwand weiter … entfernten sich … Die Köpfe der vier drehten sich in die Richtung, die Augen bohrten sich in das Dunkel hinein … Der Tod in seiner ganzen Unheimlichkeit war an ihnen vorübergegangen, das schwarze Himmelsgewölbe hatte standgehalten, es war nicht eingestürzt. Lautlos verschwand Pröll im Schacht. Über ihm klappte leise der Deckel zu. Pröll lehnte den Kopf gegen die Mauer, in tiefster Seele matt. Jetzt spürte er, was ihn die Minuten gekostet hatten. –
     
    Am anderen Morgen war Bochow als einer der Ersten zu Krämer gekommen, dessen Raum immer mehr zum Sammelpunkt wurde. – Die Rettungsaktion für die 46 Todeskandidaten, das Davonlaufen der jüdischen Häftlinge am vergangenen Abend waren offene Kampfansagen, und jeder, Krämer, Bochow, die Blockältesten, die ebenfalls gekommen waren, oder die Häftlinge in den Blocks, wartete auf Repressalien. Bisher hatte die Lagerführung selbst den geringsten Verstoß gegen die Disziplin mit dem Einsatz ihrer Macht beantwortet.
    Im Lager zwischen den Blocks war es lebendig geworden. Die Häftlinge standen herum und rätselten, was sich heute wohl ereignen würde. Vergeblich wartete Krämer auf Reineboths Befehl, das Lager zum üblichen Appell aufmarschierenzu lassen. Als die Stunde dafür herangerückt war, befahl Reineboth durch den Lautsprecher lediglich die Kommandierten der Mannschafts- und Offiziersküchen an die Arbeitsstellen. Außer diesen rückte kein anderes Kommando aus. Das Ausbleiben des Appells war ebenso ungewöhnlich wie das Ausbleiben der Repressalien. Unruhig blickte Krämer auf die Uhr am Lagertor. Es war schon zwei Stunden über die Zeit.
    »Das gibt heute keinen Appell«, sagte er, »das gibt überhaupt keinen Appell mehr …«
    »Ich habe gehört«, orakelte einer von den Blockältesten, »dass der Kommandant mit dem Flugplatz hier in der Nähe telefoniert und Bombenflieger angefordert haben soll.«
    Krämer fuhr herum. »Gehört, gehört!«, bellte er den Blockältesten an, »einen Dreck hast du gehört! Es fehlte gerade noch, dass wir Scheißhausparolen verbreiten!«
    »Macht euch die Köpfe nicht wirr mit unkontrollierbaren Gerüchten«, mahnte Bochow, »jetzt gilt es, erst abzuwarten, wie sie auf das Davonlaufen der Juden reagieren.«
    »Die Ruhe gefällt mir nicht«, knurrte Krämer.
    Im Lautsprecher knackte es. Alles blickte gespannt auf den Kasten. Der Strom summte, das probierende Pusten ins Mikrophon war vernehmbar und endlich auch Reineboths Stimme: »Lagerältester, herhören. Das ganze Lager auf dem Appellplatz aufmarschieren lassen!« Reineboth wiederholte die Durchsage, dann knackte es wieder, und der Lautsprecher verstummte. Im Raum herrschte eine sonderbare Ruhe. Alle schwiegen und lasen sich die Gedanken von den Gesichtern. Im Lager selbst hatte die Durchsage eine quirlende Bewegung unter den Häftlingen verursacht. Was sich draußen befand, rannte zu seinem Block zurück, in den Blocks schwirrte und summte es durcheinander. »Wir gehen nicht! Wir lassen uns nicht evakuieren!« In wenigen Minuten war das Lager wie ausgestorben, kein Häftling befand sich mehrdraußen. »Wir gehen nicht, wir gehen nicht!« Die Blockältesten kamen von Krämer zurück. »Wir gehen nicht!«, riefen ihnen die Häftlinge zu. »Wir müssen gehen«, antworteten die Blockältesten. Wieder verging eine Stunde. Währenddessen waren Kluttig und Reineboth bei Schwahl. Reineboth meldete mit vornehm

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