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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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Bleibt in den Blocks, Kameraden! Keiner geht nach oben! Wir haben Waffen! Wir schützen euch! Aber der Ruf des Feuers verzehrte sich, Krämer betrat den ersten Block. –
    Mit {angstoffenen} Gesichtern und dem Beben des Weinens in der Kehle umdrängten ihn die Unglücklichen, als käme durch ihn die Rettung.
    »Wir bleiben hier! Wir gehen nicht!«
    Unerhört musste sich Krämer zur bitteren Pflicht zwingen: »Ihr müsst gehen, Kameraden. Wir müssen auch gehen …« Krämer wandte sich an den jungen Blockältesten, er kannte ihn gut. »Lass antreten, Akim, es geht nicht anders. Langsam, verstehst du, langsam. Der da oben mag noch ein paarmal brüllen. Vielleicht können wir es bis zum Dunkelwerden hinziehen. In der Nacht können sie nicht evakuieren. Morgen kann schon wieder etwas anderes sein.«
    Krämer tat nichts dazu, als die Häftlinge der Aufforderung ihres Blockältesten nur zögernd nachkamen. Er ging zu den anderen Blocks. Hier war es das Gleiche. Immer wieder rannten die verzweifelten Menschen in die Blocks zurück, kaum dass sie angetreten waren. Die Marschzüge kamen nicht zustande. Hinter den Fenstern der Baracken, die sich in der Nähe der jüdischen Blocks befanden, drängten sich die Insassenund sahen dem einsamen und verzweifelten Kampf zu. Auch vom Block der polnischen Häftlinge konnte es beobachtet werden. Mit einigen seiner Kameraden der Widerstandsgruppe klebte Pribula am Fenster, hatte die Fäuste hart gegen die Scheibe gedrückt.
    »Verflucht! Wir müssen zusehen hier! Verflucht!« Seine Kameraden verstanden ihn. Schweigend, verbissen und mit dunklem Glanz in den Augen sahen sie auf das Drama da draußen. Aber sie sahen auch, dass Krämer sich keine Mühe gab, Ordnung in das Gewirr zu bringen. Kaum war unter seiner Gegenwart ein Teil der jüdischen Häftlinge vor dem Block zusammengekommen, ging Krämer zum nächsten. Sofort verschwanden die Angetretenen wieder. So ging es hin und her, über eine Stunde.
    »Wo bleiben die Juden? Lagerältester! Sofort aufmarschieren lassen!«
    Der grausame Lautsprecher trieb die schreienden Menschen noch mehr durcheinander. Vor einem der Blocks kam so etwas wie ein Marschzug zustande, doch gelangte er nur bis zum nächsten Block, hier zerstob er wieder, und die Häftlinge rannten in den Block hinein oder flüchteten in den Schutz des eigenen zurück, weinend, schreiend, schluchzend, fluchend, betend. Sie fielen sich in die Arme, küssten sich, sagten sich Lebewohl. Der Blockälteste ermahnte sie erneut, anzutreten. Sie flohen in die Schlafsäle, krochen unter die Betten oder versteckten sich auf der Latrine, und alles war so sinnlos, weil es kein Verbergen gab. Der Wolf hatte seine Fänge in ihrem Fleisch und hetzte sie und ließ sich nicht mehr abschütteln. Wieder schrie der furchtbare Lautsprecher: »Lagerältester! Sofort antreten lassen!«
    Krämer zwängte sich durch die Masse der Häftlinge, die, einem Bienenschwarm gleich, den Eingang des Blocks verstopften, und sank am Tisch des jungen Blockältesten nieder. Akim sah die Qual.
    »Lass uns nach oben gehen«, sagte er, »es hilft ja doch nichts …«
    Krämer riss die Arme nach oben und wuchtete die Fäuste auf den Tisch.
    Die Spannung nur war es, die zerbarst. Er sprang auf und brüllte Akim im Hinausstürzen zu: »Immer nur antreten lassen, wenn der oben brüllt, immer nur antreten lassen!«
     
    Mehrere Male schon hatte Schwahl den Rapportführer nach dem Aufmarsch des Judentransportes bedrängt. Das Blockführerrudel, einer eingesperrten Hundemeute gleich, lauerte an den Fenstern der Stube am Torgebäude. Wieder verging eine halbe Stunde, der Appellplatz blieb noch immer leer.
    Was hätte Bochow darum gegeben, nicht durch den das Lager lähmenden Befehl an den Block gefesselt zu sein. – Eingefangen in drangvolle Ungeduld und quälende Ungewissheit, wartete er. Was mochte Krämer tun? Was ging vor sich in den Blocks der jüdischen Kameraden? Was ereignete sich oben am Tor? Plötzlich zerriss eine neue Durchsage die Spannung.
    »Der Lagerschutz sofort am Tor antreten!«
    Aus dem Ton von Reineboths Stimme hörte Bochow Endgültigkeit heraus. »Sie gehen aufs Ganze«, sagte er, und die mit ihm im Tagesraum harrenden Häftlinge starrten sorgenvoll zu dem unheimlichen Lautsprecher hinauf, der mit jeder Durchsage feindlicher und gefährlicher wurde.
    »Jetzt holen sie den Lagerschutz …«, sagte einer in die Stille hinein.
    Unvermittelt begann ein anderer zu deklamieren:
    Leergebrannt ist die

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