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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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gebracht. Der Bunker füllte sich mit Kämpfern an. Einige griffen zu und schleppten die {Ermordeten} vom Gang in den Waschraum des Bunkers. Höfel und Kropinski saßen auf dem Feldbett. Förste hatteihnen einen Becher mit Wasser gebracht. Gierig tranken die Erschöpften das belebende Nass.
    Ein Melder stürzte herbei, er überbrachte Bochow die Nachricht von der restlosen Besetzung der Türme.
    In überströmender Freude presste Bochow Höfel und Kropinski an sich. »Frei, frei!«, schrie er und lachte, {lachte,} weil in diesen Minuten nichts anderes in seiner Brust Platz fand.
    Mit den Genossen des ILK jagte er hinüber nach dem anderen Teil des Torgebäudes, in Reineboths Zimmer.
    Oben auf dem Hauptturm riss einer der Kämpfenden die Hakenkreuzfahne herunter und zog ein weißes Tuch, irgendwo hergeholt, am Mast empor.
    Schnell hatte sich Bochow am Radiogerät zurechtgefunden, das Mikrophon eingeschaltet, und über das Lager hinweg, in alle Blocks hinein drang sein Ruf:
    »Kameraden! Der Sieg ist da! Die Faschisten sind geflohen! Wir sind frei! Hört ihr mich? Wir sind frei!«
    {Sein gellender Ruf zersprang ihm in der Kehle.} Bochow schluchzte, presste die Stirn ans Gerät, und das übermächtige Glück schmolz ein in die Tränen, die er nicht länger zurückdrängen mochte.
    In den Blocks aber riss es die eingepferchten Menschen hoch. Die Flamme des Rufs entzündete eine Feuersbrunst vieltausendstimmigen Schreies! Er nahm kein Ende und brauste, sich immer wieder neu gebärend, auf:
    Frei! Frei!
    Die Menschen lachten, weinten, tanzten! Sie sprangen auf die Tische, rissen die Arme hoch, schrien es sich in die Gesichter hinein, schrien, schrien, als wäre der Irrsinn unter sie gefahren. Es gab kein Halten mehr. Aus allen Blocks brach es hervor! Alles stürzte hinaus, und einer aufgepeitschten Sturmwelle gleich überschwemmte die trunkene Masse den Appellplatz.
    Ein Schrei und eine Flut: zum Tor!
    Nicht, um sinnlos irgendwo dahinzujagen. Nur dem Rausch verfallen, endlich, endlich, durch das verhasste furchtbare Tor zu strömen, jauchzend und taumelnd in die ausgebreiteten Arme der Freiheit hinein.
     
    {Krämer, im Block 38, fand sich plötzlich allein mit dem Kind.} Der ungeheure Jubel hatte alle, die eben noch bei {ihm} waren, mit hinausgerissen. {Er hatte nur immer auf den Lautsprecher gestarrt, in Bochows Jubelruf hinein.} Frei! So groß war das Glück, dass sie ihn {alle} vergessen hatten und davongelaufen waren. {So groß aber war das Glück auch in ihm, dass er} lachte und schimpfte in einem: »Vergessen haben sie uns, die Kerle, die verdammten, vergessen mitzunehmen! {Na, hat sich was!}«
    So ungestüm schrie er das Wurm an, dass es weinte, laut und voller Angst. »Brülle, ja, brülle! – Komm, brülle draußen mit den andern! Sie brüllen ja alle! Hörst du’s nicht?«
    Seine Schwäche vergessend, packte er das schreiende Kind wie ein Bündel unter den gesunden Arm und torkelte hinaus.
    Unterwegs wurde er von jubelnden Häftlingen abgefangen. Sie wollten ihn stützen und ihm die schreiende Last abnehmen.
    »Pfoten weg!«, brüllte er eifersüchtig; glücklich keuchte er den Weg hinauf, der zum Appellplatz führte.
    Da oben sah er sie schon alle stehen, unter ihnen Bochow, der hilflos war der Flut gegenüber, die er heraufbeschworen.
    Und Krämer sah – und das Herz wollte ihm stocken in wilder Freude:
    »André!«, schrie er. »André, André! Marian!«
    Sein Geschrei durchdrang das Tosen nicht, aber sie hatten ihn schon entdeckt.
    »Walter!«, jubelte Höfel auf und torkelte vorgestreckt auf ihn zu, der Strick baumelte ihm am Halse.
    »Nimm mir das Wurm ab, es wird mir zu schwer.«
    Da waren die andern schon bei Krämer. Riomand und van Dalen stützten den Zusammenbrechenden. Höfel riss ihm das Kind weg. Es schrie noch ängstlicher, als der wildbärtige Mann es an sich presste. Höfel taumelte vornüber, schien in die Knie brechen zu wollen. Kropinski fing das Kind ab. Lachend, schreiend, sprudelnd in wunderlichem Gemisch von Deutsch und Polnisch, wies er das geliebte Bündel allen entgegen. {Keiner verstand die Sprache des Polen, und doch verstanden ihn alle so gut.}
    Plötzlich rannte Kropinski davon, das Kind vor sich gestreckt, zum Tor, in den tosenden Strom hinein.
    »Marian!«, rief Höfel ihm nach, »wohin läufst du?«
    Doch der Strudel hatte den Glücklichen schon in sich aufgenommen.
    Kropinski hob das schreiende Bündel über sich, damit es nicht erdrückt werde von der brodelnden

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