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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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furchtbaren Minute geschah etwas! Ein dumpf-sonorer Röhrton schwoll plötzlich auf. Dröhnend und durchdringend wie die Posaune des Jüngsten Gerichts. Das war die Feindalarm-Sirene, das Warnungssignal an die SS beim Herannahen des Gegners. Ihr fürchterlicher Ton durchdrang alle. In den Blocks riss er den Häftlingen den Atem in die Kehle. Bochow und seine Genossen stürzten aus dem Block, standen im Freien, vom dumpfen Geheul der Sirene übergossen. Im Gelände der SS wirbelte die Posaune alles durcheinander. Aus den Kasernen fegte sie die Kompanien der SS heraus, in notdürftig zusammengetriebener Marschordnung rannten sie fort. Scharführer liefen kopflos davon. Das vollbeladene Lastauto am Tor drehte eine eilige Kurve und ruckerte in das Gewühl und Gewimmel auf der Straße hinein. Reineboth schrie! Der Mandrill sprang in den Bunker zurück, brüllte, rüttelte an der verschlossenen Tür und wuchtete mit den Stiefeln dagegen. Reineboth kam herbei. »Fort, fort!«, schrie er, ließ sich nicht Zeit, auf den rasenden Mandrill zu warten, fetzte wieder hinaus, warf das Motorrad an und schrie noch einmal zurück: »Mandrill!« Dann schwang er sich auf den Sitz, und eben, als der Motor aufheulte, lief dieser herbei, sprang auf den Sozius, und die Maschine heulte davon. –
    In der Ecke des verschlossenen Raumes brach Förste in die Knie. Die letzte Kraft verströmte sich in einem hemmungslosen Weinen, von dem der erlöste Mensch noch nicht einmal wusste, dass es das köstlichste seines Lebens war. –
    Mit lauschenden Sinnen standen Höfel und Kropinski hinter der Tür ihrer Zelle, sprungbereit, wie sie es in der Verzweiflung beschlossen. Sie hörten den Lärm und die Hast und den furchtbaren Posaunenton. Sie hörten das Schreien Reineboths und das Brüllen des Mandrill, hörten die krachenden Tritte gegen die Tür, und plötzlich war das Poltern und Schreien da draußen auf dem Gang wie weggeschluckt. Kropinski stand in der Ecke neben der Tür, seine Hände, wie zwei offene Klammern, lauerten in die undeutbare Stille hinein. Die beiden todgeweihten Menschen wagten nicht zu atmen und wagten es noch viel weniger, der winzigen Hoffnung in ihrem Herzen, die sich wie ein vorsichtiger Fühler in die Stille hineintastete, nachzugehen.
     
    Noch während die Sirene in das Dröhnen und Knattern des Kampfes rundum im Land hineinschrie, waren die Führer der Gruppen nach Block 17 gejagt. Auf den Wegen wimmelte es von aufgescheuchten Häftlingen. In ihnen allen, in Bochow und den Männern des ILK, die ebenfalls nach Block 17 geeilt waren, loderte die Entscheidung.
    Die Stunde war da!
    Sie glich der Stunde zwölf, die übermächtig die erzene Glocke zum Schwingen bringt. {Ihre dröhnenden Schläge zertrümmerten die Wirklichkeit bisher, und aus den Trümmern stieg eine neue Wirklichkeit empor, die sich kündete in den knappen Befehlen, die Bochow nun gab.}
    »Alarmstufe drei! Die Waffen werden freigegeben! Die Gruppen in ihre Ausgangsstellungen. Der Ausbruch erfolgt unmittelbar!«, befahl Bochow.
    Pribula riss die Fäuste über den Kopf. Er brachte keinen Ton heraus, obwohl sein ganzer Körper nach dem befreienden Schrei lechzte. Mit den Führern der Gruppen jagte er davon.
    Plötzlich gab es in den Blocks laute Kommandos.
    »Alle Gruppen antreten!«
    Noch ehe die überraschten Häftlinge begriffen, was hier geschah, formierten sich vor den Blocks geschlossene Abteilungen. Ohne von der Überraschung, die ihr Auftauchen verursachte, Notiz zu nehmen, liefen die Gruppen im Eilschritt fort, in bestimmte Blocks hinein, hinunter nach dem Revier und dorthin, wo es Heizungskanäle und Abwasserleitungen gab. Die in all diesen Stellen verteilten Angehörigen des Lagerschutzes warteten bereits. Fußböden wurden aufgerissen, Mauerwerk zerschlagen, mit Picken und Schaufeln verborgene Gruben freigelegt, und überall kamen Waffen zum Vorschein, Waffen, Waffen!
    Pribula und seine Leute der polnischen Gruppen zerschlugen die Blumenkästen an den Fenstern der Revierbaracken und zerrten die ölgetränkten Lappen von den Karabinern.
    Nach der Schreibstube eilte eine Gruppe mit einem Maschinengewehr. In Krämers Raum, der sich in gerader Richtung zum Torgebäude befand, wurde es aufgestellt. Bochow übernahm das Kommando.
    Eine ungeheure Erregung brodelte durch das Lager.
    In wenigen Minuten hatte sich die Bewaffnung vollzogen und die Gruppen ihre Ausgangsstellungen besetzt. Nicht eine Minute länger als notwendig wurde gezögert, und schon krachten

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