Nackt unter Wölfen
schon in Ordnung gehen«, meinte Krämer, »der Befehl kommt vom Kommandanten.«
Bochow wedelte misstrauisch mit der Hand.
»Was Schwahl befiehlt und Kluttig daraus macht, ist nie dasselbe.«
»Darum sage ich«, fiel Krämer rasch ein, »überlasst mir den Sanitrupp. Überlasst ihn mir ganz.«
Bochow sah Krämer groß an.
»Was willst du denn damit?«
Krämer lächelte verschmitzt.
»Dasselbe wie du.«
»Wie ich?«, heuchelte Bochow.
»Mensch, nun spiele nicht wieder den Illegalen«, schimpfte Krämer, »davon habe ich genug. Mit dem Sanitrupp geht dir doch was im Kopf herum, na?« Krämer tippte sich an die Schläfe. »Vielleicht ist hier drinnen dasselbe.« Bochow fühlte sich ertappt, er strich sich mit beiden Händen über die Backen.
Krämer nagelte ihn fest: »Siehst du?! – Was wir zwei uns denken, das denken sich die Kumpel, die ich mir heute noch suchen werde, auch. Glaubst du, dass sie erst auf mein Augenzwinkern warten? Die machen sowieso die Pupillen auf, wenn sie im Gelände spazieren gehen. Mit und ohne illegale Leitung …« Um Bochow zu beruhigen, setzte er schnell hinzu: »Von der sie keine Ahnung haben werden, verlass dich drauf. Was sie da draußen ausbaldowern, das erfahre ich sowieso. Willst du erst wieder einen umständlichen Meldeapparatbauen, wenn es bei mir über die direkte Leitung funken kann?«
Bochow stimmte nicht sofort zu, und Krämer ließ ihm Zeit, nachzudenken. Der Vorschlag war vernünftig. Doch ohne Zustimmung des ILK durfte Bochow nicht darauf eingehen, wurde doch damit die bisher passive Rolle des Lagerältesten in eine aktive verwandelt. Krämer merkte Bochows Nachdenklichkeit.
»Überlegt es euch«, sagte er, »aber es muss schnell gehen.«
Bochow dachte bereits darüber nach, wie sich eine sofortige Aussprache mit dem ILK herbeiführen ließ. Bogorski war leicht zu erreichen, auch Peter van Dalen, der Holländer. Wie aber kam man an Pribula und Kodiczek heran? Sie befanden sich zwar im Lager und arbeiteten in einer der Optikerbaracken, die auf dem Appellplatz aufgestellt waren und in denen Zielgeräte hergestellt wurden. Zu diesen Baracken war der Zutritt streng verboten. Auch Riomand, der Franzose, war nicht zu verständigen. Er steckte im Küchenkommando des Offizierskasinos außerhalb des Lagers. Die so schwer Erreichbaren konnten nur durch eine Leitungskontrolle benachrichtigt werden. Bochow entschied sich nicht gern zu dieser besonderen Form der Benachrichtigung, die nur dringenden Fällen vorbehalten blieb. Eile und Wichtigkeit jedoch geboten es für diesmal. Bochow sah Krämer fragend an:
»Kannst du eine Leitungskontrolle machen lassen?«
»Kann ich«, nickte Krämer, der sofort wusste, worum es ging. Einen solchen Auftrag hatte er schon einmal durchgeführt.
{Bochow hatte sich entschlossen.}
»Also merke dir die Zahlen: Drei, Vier, Fünf, am Schluss die Acht.«
Krämer nickte wieder. »Das ILK«, sagte er verschmitzt.In der Werkstatt der Lagerelektriker stand ein Häftling am Schraubstock und feilte besinnlich an einem Metallstück herum.
Krämer trat ein.
»Schüpp da?«, fragte er. Der Häftling wies mit der Feile über die Schulter nach einem Holzverschlag im Hintergrund der Werkstatt und sagte, als er Krämers unwilliges Gesicht bemerkte:
»Ist niemand drin.«
Schüpp saß am Tisch {des Scharführers, der dem Kommando vorstand,} und bastelte an einem Weckerwerk herum. Er sah zu dem eintretenden Krämer hoch. {Die runde, schwarz gefasste Brille, die kugelig-runden Augen und der kleine, runde Mund gaben seinem Gesicht etwas treuherzig Erstauntes.}
»Wir brauchen eine Leitungskontrolle, Heinrich«, sagte Krämer.
Schüpp verstand.
»Machen wir, und zwar sofort.«
Krämer trat einen Schritt näher. »Folgende Zahlen: Drei, Vier, Fünf, am Schluss die Acht.«
Schüpp stand auf. Nach der Bedeutung der Zahlen fragte er nicht. Sie waren für ihn eine wichtige Mitteilung von irgendwem an irgendwen. Er schob den Kram auf dem Tisch zusammen und griff nach seinem Werkzeugkasten.
»Ich gehe gleich los, Walter.«
»Das muss aber klappen, hörst du?«
Schüpp machte sein erstauntes Gesicht.
»Bei mir klappt es doch immer.«
Von Schüpp ging Krämer zu Höfel. Zweiling war da. Er kam sofort aus seinem Zimmer, als er den Lagerältesten mit Höfel an der langen Quertafel stehen sah.
»Was is ’n los?«
»{Nichts weiter.} Höfel soll Effekten fertig machen«, entgegneteKrämer geistesgegenwärtig, »morgen geht ein Transport.«
»Wohin denn?«
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