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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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von oben ein Päckchen herab. Der Traubenzucker! Pippig blickte zu Lange auf. Der kniff ein Auge zu. Sie hatten sich verständigt.
    Pippig steckte das Päckchen ein, brachte seine Kleidung in Ordnung und richtete sich auf. Noch einige belanglose Worte, und dann zockelte der Kleine davon. Vorn signierte der Rottenführer den Passierschein.
    Die eiskalte Milch kühlte Pippigs Bauch. Unterwegs legteer das Päckchen Traubenzucker in die Griffstelle seiner schirmlosen Häftlingsmütze, so dass er es immer in der Hand hielt, wenn er vor einem SS-Mann die Mütze ziehen musste.
    Als Pippig zum Lagertor kam, sah er schon von weitem einen Haufen von Häftlingen am Schalter stehen und gewahrte, dass der Blockführer jeden Einzelnen von ihnen abtastete.
    Verflucht! Der Kerl filzt! –
    Umkehren oder stehen bleiben konnte Pippig nicht mehr, dazu war er zu nah am Tor. Was machen? Frechheit siegt! Pippst du oder pipp ich? – Ich pippe! Furchtlos ging Pippig auf das Nadelöhr zu. Hier zwängte er sich durch den Häftlingshaufen, riss die Mütze mit dem Päckchen herunter, knallte mit den Hacken und rief: »Häftling 2398 von SS-Schneiderei ins Lager zurück!«
    Als der mit dem Filzen beschäftigte Blockführer sich umdrehte, hielt ihm Pippig den Passierschein hin, machte eine elegante Kehrtwendung und – da war er auch schon durchs Nadelöhr geschlüpft. Sekunden, mit Spannung angefüllt bis zum Zerreißen! Würde es hinter seinem Rücken schreien: »He! Der von der Effektenkammer! Zurück ans Tor!«
    Mit jedem Schritt, der Pippig vom Tor wegführte, lockerte sich die Spannung. Die Kälte auf dem Bauch fühlte er nicht mehr. Der Ruf blieb aus! – Hinter Pippig dehnte sich eine unendliche, schützende Leere. Als er die Hälfte des Appellplatzes hinter sich gebracht hatte, verfiel Pippig in Trab. Die Spannung entwich vollends, und an ihrer Stelle strömte ein ungeheurer Jubel in seine Brust.
    Pippig rannte! Freu dich, Kleiner, es gibt Milch! –
    Kropinski hatte Freudentränen in den Augen. Immer wieder streichelte er Pippigs Arm, als sie beide vor dem Kinde kauerten und andächtig zusahen, wie es dem Kleinen schmeckte. Das Kind hielt die große Aluminiumtasse mit beidenHänden fest, sah aus wie ein kleiner Bär und schmatzte – schmatzte …
    »Guter Bruder, tapferer Bruder«, flüsterte Kropinski.
    Pippig erwiderte: »Mensch, wenn du wüsstest, was ich für ’nen Schiss in den Hosen gehabt habe …«
    Er lachte, er glaubte es selber nicht.
    Unvermittelt stand Höfel hinter ihnen, sie schauten glücklich zu ihm auf.
    »Woher habt ihr die Milch?«
    Pippig griente Höfel an, stach dem Kind mit dem Zeigefinger in den Bauch: »Auf der Weide steht ’ne Kuh, und die macht muuuhhh …«
    Das Kind lachte.
    Pippig ließ sich auf den Hintern fallen und schlug die Hände zusammen.
    »Es hat gelacht! Habt ihr’s gehört? Es hat gelacht!«
    Höfel blieb ernst. Er sah müde aus, weil er eine unruhige Nacht hinter sich hatte. Noch vor dem Morgenappell hatte er durch Krämer erfahren, dass mit Zidkowski, dem polnischen Blockältesten von 61, alles klargemacht worden war.
    Nun stand Höfel vor dem Kind, sah zu, wie diesem die Milch schmeckte. Jetzt galt es, den beiden begreiflich zu machen, dass das Kind …
    »Hört zu«, begann Höfel.
    Pippig, der Krämers morgendlichen Besuch beobachtet hatte, wusste sofort, dass aus Höfel der Lagerälteste sprach, und der musste Gründe haben, das Kind aus der Kammer zu entfernen. Aber ausgerechnet in die Seuchenbaracke?
    Höfel beruhigte die beiden. Am hellen Tag war es nicht möglich, das Kind nach dem Kleinen Lager zu bringen. Es konnte nur in der Dunkelheit geschehen. Nach dem allgemeinen Appell verließ Zweiling in der Regel die Effektenkammer. Das war die günstige Gelegenheit. Pippig schob dieHände in die Hosentaschen und sagte voll Trauer: »So ’n kleines Miezekätzchen …«
    Ein Häftling kam und warnte sie. Zweiling sei eben gekommen. Sie mussten abbrechen.
    Zweiling hatte sich sofort in sein Zimmer zurückgezogen und noch keine Gelegenheit gehabt, den Zettel unterzubringen. Als er ins Lager gekommen war, hatte er vorsichtig ins Rapportzimmer hineingesehen. Reineboth, am Schreibtisch sitzend, hatte verwundert aufgesehen, als sich Zweiling mit einem verlegenen Gruß zurückzog. Was wollte der blöde Heini von der Effektenkammer? –
    Am Vormittag war Zweiling des Öfteren nach draußen gegangen, aber niemals klappte es, immer war am Tor etwas los.
    {Zweiling hoffte auf eine Gelegenheit

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