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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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sagte diesem,dass etwas im Gange war. Sie wechselten kein Wort, nur ihre Augen sprachen: Aufpassen!
     
    »Antreten zum Zählappell!« Höfel ging durch die Kammer.
    »Antreten zum Zählappell!«
    Die Häftlinge des Kommandos, verwundert über das vorzeitige Zählen, sammelten sich im Raum vor der langen Tafel. Indessen ging Höfel durch die Kammer und kontrollierte die verschlossenen Fenster. Dabei überlegte er. Schaffte Zweiling diesmal den Schlüssel selbst zum Tor, dann waren sie ausgesperrt und konnten nur von außen in das Gebäude gelangen.
    Der ursprüngliche Plan musste umgestoßen werden.
    Das Gefühl einer versteckten Gefahr ließ Höfel nicht mehr los.
    Warum blieb Zweiling länger als sonst in der Kammer, was hatte er vor? – Kropinski, ebenfalls über den frühen Zählappell verwundert, kam aus dem Winkel.
    »Was ist?«
    Höfel beruhigte den Polen und schickte ihn nach vorn. Als er allein war, öffnete Höfel eines der beiden Fenster, die sich an der Stirnseite des Gebäudes befanden, und beugte sich orientierend hinaus. Knapp drei Meter unter dem Fenster lag das Dach eines Verbindungsgebäudes, das von der Bekleidungskammer im ersten Stock nach dem Bad führte. Höfel sah es mit Befriedigung. Er klappte die Fensterflügel zu, sperrte aber deren Verriegelung so lose, dass sie nachgeben musste, wenn man von außen gegen den Fensterrahmen drückte. Dann ging er nach vorn. –
     
    Es war schon finster und der Appell des Lagers längst vorbei, doch Zweiling befand sich noch immer in der Effektenkammer. Im bergenden Dunkel einer Ecke zwischen der Küche und dem Bad standen Höfel, Pippig und Kropinski.Schweigend beobachteten sie die Fenster im zweiten Stock des großen Steingebäudes.
    Im scharfen Sprühregen frierend, die Hände tief in die Taschen der dünnen Hosen vergraben, starrten sie zu den Fenstern empor. Reglos lastete die Stille über dem Lager. Kein Häftling war zu sehen. Hin und wieder lief ein eiliger Blockältester, von der Schreibstube kommend, über den knackenden Schotter und verschwand irgendwo in einem Block. Die aufgescheuchte Stille beruhigte sich und erstarrte wieder. Verhalten glimmten die roten Lämpchen am Zaun. Der regenfeuchte Asphalt des weiten Appellplatzes schimmerte fahl. Rund um das Lager stand der schwarze Wald.
    Kropinski flüsterte etwas, es war nicht zu verstehen, und keiner der beiden antwortete.
    Ob das Kind schon schlief?
     
    Zweiling hatte die Lampe unter den Schreibtisch gestellt und sie mit einem Tuch verhängt, um das Licht gegen die nicht abgedunkelten Fenster abzuschirmen. Jetzt durfte er sicher sein, dass Reineboth das Lager verlassen hatte und die Torwache abgelöst worden war. Den Zettel steckte er griffbereit in die obere Außentasche der Uniform, knipste die Lampe aus und stellte sie auf den Tisch zurück. An der Fensterseite des Kleiderraums tappte er sich im Dunkel nach hinten zum Winkel, schob den Stapel zur Seite. Mit einer Stablampe leuchtete er in den Raum hinein. Das Kind blickte mit aufgerissenen Augen in das blendende Licht und verkroch sich unter der Decke.
    Draußen riss Kropinski Höfel am Arm: »Da!«
    Die drei starrten auf das letzte Fenster, hinter dem der Schein geisterte. – Plötzlich rannte Pippig auf die Effektenkammer zu. Höfel erwischte ihn, noch ehe er durch die unverschlossene Tür ins Gebäude jagen konnte, zerrte ihn zurück und zischte: »Bist du verrückt?!«
    Pippig keuchte: »Den Hund schlage ich tot!«
    Auch Kropinski war hinzugekommen. Oben knarrte eine Tür. Nur Sekunden blieben für Entscheidungen. Die drei flüsterten miteinander, heiß und hastig. –
    Höfel verschwand im Gebäude, und die beiden anderen huschten wie Mäuse in die dunkle Nische unter einer vorgebauten Treppe. Blitzschnell hatte Höfel die Tür hinter sich zugemacht. Über ihm klappten die Stiefeleisen auf dem Stein der Stufen. Ein fahler Lichtschimmer der abgeblendeten Stablampe gespensterte die Stufen herunter. Der Hausflur war dunkel. Weniger als eine Sekunde hatte Höfel Zeit zu überlegen, wo er sich verstecken konnte, und hatte keine Wahl. Es blieb nur die Ecke der zwei Meter breiten Wand neben der Eingangstür. Stehen oder kauern? Instinktiv kauerte sich Höfel blitzschnell an der nackten Wand zusammen, drückte den Kopf auf die Knie und legte die Arme darum. Sogar die Augen presste er zu, als könne er sich dadurch noch unsichtbarer machen.
    Zweiling hatte den letzten Treppenabsatz erreicht und ging auf die Tür zu. Jetzt entschied sich, ob

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