Nackt unter Wölfen
hinterher wie ein gestreicheltes Hündchen in sein Bett zurückgekrochen. In ihrer Haushaltführung war Hortense sehr selbständig und ließ sich von Zweiling in nichts hineinreden, wie sie überhaupt alles tat, ohne ihn vorher um seine Meinung gefragt zu haben.
An diesem Abend saß Hortense im Wohnzimmer vor der Anrichte und packte Porzellangeschirr, vorsorglich mit Zeitungspapier umwickelt, in eine Kiste.
Zweiling war nach Hause gekommen. Er hatte einen Stiefel ausgezogen und den nackten Fuß auf einen Polstersessel gestellt. Mit der dicken grauen Socke wischte er zwischen den warm-feuchten Zehen, von denen ein säuerlicher Geruch aufstieg, und betrachtete sich sorgenvoll die wieder einmal wundgelaufene Ferse.
Hortense beachtete ihn nicht. Sie war mit dem Verpacken beschäftigt. Zweiling zog die Socke wieder über und zwängte sich den anderen Stiefel ab. Er trug die Stiefel hinaus, kam,Latschen an den Füßen, mit aufgeknöpfter Uniformjacke, wieder ins Wohnzimmer zurück und setzte sich in den Polstersessel.
Eine Weile sah er Hortense zu, die Unterlippe zurückgezogen. Ihm kam es in den Sinn, dass ein Scharführer mit appetitvollem Schmunzeln gesagt hatte: »Beine hat deine Frau … oho …«
Zweiling betrachtete Hortenses runde, ein wenig zu volle Waden und das Stück nackten Schenkels unter dem hochgerutschten Rock. – Das könnte dem so passen.
»Was machst ’n denn da?«
Hortense antwortete nebenhin:
»Man kann nie wissen …«
Zweiling war diese Antwort unverständlich. Er versuchte einen Sinn hineinzudenken, es gelang ihm nicht. Er fragte wieder: »Was meinste?«
Hortense sah von ihrer Beschäftigung hoch und entgegnete gereizt: »Denkst du, ich lasse mein schönes Porzellan im Stich?«
Jetzt hatte Zweiling begriffen. Er machte eine nichtssagende Handbewegung:
»So weit ist es noch nicht.«
Hortense lachte hässlich auf, sie packte weiter, wütend geworden. Zweiling hatte sich im Sessel zurückgelehnt, die Beine behaglich ausgestreckt und die Hände überm Bauch gefaltet. Nach einer Weile sagte er: »Aber ich habe schon vorgebaut …«
Hortense antwortete nicht sogleich, es schien ihr nicht wichtig, doch dann drehte sie den Kopf nach Zweiling um und fragte neugierig: »So? Was denn?«
Zweiling lachte vor sich hin.
»Na, dann rede doch?«, fuhr Hortense ihn heftig an.
»Da hat einer bei mir – mein Kapo – einen Judenbalg versteckt.«
Zweiling lachte aufs Neue vor sich hin. Hortense drehte sich auf ihrer molligen Sitzfläche vollends zu ihrem Mann um:
»Na und? – Was dann?«
»Geschnappt habe ich ihn.«
»Haste ihm das Kind weggenommen?«
»Echa. Ich bin doch nicht blöde.«
»Na, was haste denn gemacht?«, drängte Hortense ungeduldig.
Zweiling verzog hämisch den Mund und kniff ein Auge zu, dabei beugte er sich vertraulich zu Hortense: »Du versteckst Porzellan und ich ein Judenbalg.« Er kicherte tonlos.
Hortense erhob sich schnell: »Erzähle!«
Zweiling lehnte sich im Sessel zurück und meinte:
»Was gibt’s da groß zu erzählen? – Ich habe ihn eben dabei geschnappt, und das andere ging alles ganz einfach. – Wenn ich ihn in den Bunker gebracht hätte, dann hätte er jetzt schon ’nen kalten Arsch.«
Hortense hörte immer gespannter zu: »Ja … warum hast du ihn denn nicht …?«
Zweiling tippte sich schlau an die Schläfe:
»Haust de meinen Juden – nicht, dann hau ich deinen Juden – nicht. Sicher ist sicher.«
Überrascht bemerkte er, dass Hortense ihn angstvoll anstarrte, und fragte sie deshalb verwundert:
»Na, was is denn, was glotzte denn so?«
»Und das Kind?«, fragte Hortense atemlos.
Zweiling hob die Schultern und bemerkte beiläufig:
»Das ist noch bei mir auf der Kammer. – Die Kerle passen schon auf, da kannste dich drauf verlassen.«
Hortense setzte sich sprachlos auf einen Stuhl.
»Und du verlässt dich auf die Kerle? – Du willst wohl gar noch im Lager bleiben, wenn die Amerikaner kommen? Ja, sag mal …«
Zweiling winkte gelangweilt ab. »Red doch nicht so ’nBlech zusammen. Im Lager bleiben? Aber weißt denn du, ob ich schnell genug aus dem Lager rauskomme, wenn’s so weit ist? Dann ist das Judenbalg ’ne ganz großartige Sache. Meinste nicht? Da wissen se wenigstens, dass ich ein guter Mensch bin.«
Hortense schlug entsetzt die Hände zusammen.
»Gotthold, Mensch! Was hast du da gemacht?!«
Zweiling wunderte sich über ihre Erregung: »Was willste denn, das geht doch alles in Ordnung.«
»Wie stellst du dir das eigentlich
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