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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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ganz ruhig, das böse Tucken verebbte, und die Erregung glättete sich. Jetzt konnte er sogar aus den Augenwinkeln heraus Kluttig beobachten, der mit den Fingern auf sein Knie trommelte. Kluttigs Augen liefen heimtückisch die bewegungslosen Reihen der Häftlinge ab, jeden Einzelnen von ihnen fixierend, die Blicke der Häftlinge waren geradeaus ins Leere gerichtet. Im Raum hing eine lähmende Spannung, die jeden Augenblick zu zerreißen drohte. Es dauerte eine ganze Weile, bis Reineboth wieder nach vorn kam. Er hatte ein mokantes Lächeln aufgesteckt und zog die Brauen hoch:
    »Nichts«, sagte er lakonisch. Kluttig sprang vom Tisch. Die Spannung zerriss. Wut schoss wie ein jäher Windstoß in Kluttig hoch.
    »Höfel vortreten!«
    Höfel trat aus der Reihe und blieb zwei Schritte vor Kluttig stehen. Der blickte suchend über die Köpfe der Häftlinge hinweg.
    »Wer ist das polnische Schwein Kropinski? Herkommen!«
    Kropinski löste sich langsam von seinem Platz, ging durch die Reihen und stellte sich neben Höfel auf. Reineboth wippte in den Knien. Rose stand wie erstarrt und presste alle Kraft in die Kniekehlen, die ihm weich zu werden drohten. Die Gesichter der anderen Häftlinge waren hart, finster, reglos. Pippigs Augen glitten von Reineboth zu Kluttig.
    Dem saß die Wut in der Kehle. Sein Kopf stand steif auf dem langen Hals. Er wollte sich beherrschen und zischte unheilvoll durch die Zähne:
    »Wo ist das Kind?«
    Kropinski schluckte aufgeregt. Keiner gab Antwort. Kluttig verlor die Beherrschung, kreischend schrie er:
    »Wo das Judenbalg ist, will ich wissen!!!«
    Gleichzeitig fuhr er auf Höfel los: »Antworten Sie!!!«
    Speichel spritzte ihm von den Lippen.
    »Hier ist kein Kind.«
    Kluttig sah hilfesuchend auf Reineboth, die Wut verklemmte jedes Wort in seiner Kehle. Nachlässig ging Reineboth auf Kropinski zu, zog ihn sich an der Jacke heran und sagte fast freundlich:
    »Sag es, Pole, wo ist das Kind?«
    Kropinski schüttelte heftig mit dem Kopf.
    »Ich nicht wissen …«
    Da holte Reineboth aus. Mit einem gut trainierten Boxhieb schlug er gegen Kropinskis Kinn. Der Schlag war so kräftig geführt, dass Kropinski rückwärts taumelnd in die Reihen der Häftlinge fiel. Sie fingen ihn mit den Armen auf, aus dem Mundwinkel sickerte ihm ein dünner roter Faden.
    Reineboth holte sich Kropinski wieder heran, ein zweiter Schlag auf die gleiche Stelle. Kropinski sackte zusammen.
    Reineboth stäubte sich die Hände ab und schob den Daumen hinter die Knopfleiste.
    Mit den beiden Schlägen hatte er Kluttig das Signal gegeben, der jetzt ebenfalls zuschlug, wild und unbeherrscht mit beiden Fäusten in Höfels Gesicht hinein, und dann kreischte:
    »Wo habt ihr das Judenbalg? Raus mit der Sprache!«
    Höfel hielt die Arme schützend vor den Kopf. Kluttig trat ihn mit solcher Wucht in den Unterleib, dass Höfel mit einem Wehlaut zusammenknickte.
    Pippigs Atem ging stoßweise. Er verkrampfte die Händezu Fäusten. Sinnlos dachte er: Durchhalten, durchhalten! Sie sind schon bei Oppenheim! Es dauert nicht mehr lange. Durchhalten, durchhalten …!
    {Ob er es für sich selbst dachte oder für die beiden Zusammengeschlagenen? Er hätte es niemals sagen können. Ihm war zumute, als ob seine Gedanken, die so stark in ihm waren, in die beiden hineinfließen und ihnen Kraft geben würden.}
    Kluttigs Unterlippe zitterte, er straffte die verrutschte Uniform zurecht. Höfel erhob sich mühsam. Der Stiefeltritt hatte ihm die Luft genommen. Keuchend und mit vorhängendem Kopf stand er da. Kropinski blieb unbeweglich liegen.
    Reineboth blickte lässig auf seine Armbanduhr.
    »Ich gebe euch allen eine Minute Zeit. Wer mir sagt, wo das Judenbalg versteckt ist, bekommt eine Belohnung.«
    Die Häftlinge standen starr. Pippig lauschte in das Schweigen hinein. Wird einer etwas sagen? – Seine Augen suchten Rose. Von ihm sah er nur den Rücken, aber er gewahrte, wie Roses Finger zitterten.
    Nach einer unendlich langen halben Minute kontrollierte Reineboth die Uhr. Nach außen schien er gelassen, doch er überlegte intensiv die Taktik. Den Kerlen einen Schock einjagen, dachte er, das macht sie weich.
    »Noch 30 Sekunden«, sagte er verbindlich, »dann nehmen wir die beiden mit … zum Mandrill …«
    Er machte eine eindrucksvolle Pause und verzog gefährlich lächelnd die Lippen.
    »Was mit ihnen dann passiert, geht auf euer Konto.«
    Geschickt vermied er es, die Häftlinge anzusehen, schaute wie ein Starter auf die Uhr.
    Kluttigs Augen irrten

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