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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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der ihm Vorwürfe machte, das Fortbringen des Kindes nicht bis zum Abgang des Transports überwacht zu haben. »Ich habe meine Pflicht getan!«, verteidigte er sich überlaut. Bochow erwiderte nichts darauf. Seine disziplinierte Art, der Wirklichkeit in ihrer jeweils veränderten Form zu begegnen, ließ ihn sofort erkennen, dass es nutzlos war, über begangene Fehler zu streiten. Durch Höfels Verhaftung war eine gefährliche Lage eingetreten. Sein sicherer Instinkt ließ Bochow wissen, dass zwischen der Verhaftung und dem Bestreben Kluttigs und Reineboths, sich an den Apparat heranzutasten, ein Zusammenhang bestand. Bestimmt vermuteten die beiden in Höfel einen illegalen Mann, des Kindes wegen hätten sie sich nicht in so auffälliger Weise bemüht. {Das Kind bedeutete ihnen nicht mehr als eine junge Katze. Um eine Katze ausfindig zu machen, hätte ein Blockführer genügt, um nach der Effektenkammer zu gehen, aber sie waren selbst gekommen.}
    Bochow presste die Lippen aufeinander, suchte nach Auswegen, fand sie aber nicht.
    »Was nun? –«
    Krämer hob hilflos die Schultern hoch.
    »Aus dem Lager kriegen wir das Kind nicht mehr. Ich bin froh, dass ich es noch rechtzeitig habe beiseitebringen lassen. Der Zweiling steckt dahinter.«
    Bochow hörte nur mit halbem Ohr zu. Er überlegte. NurKrämer, als Lagerältester, hatte die Möglichkeit, aufzuspüren, was mit Höfel und Kropinski im Bunker geschah. {Zwar hätte sich Bochow erst mit den Genossen des ILK besprechen müssen, doch der Augenblick drängte zum Handeln, und Bochow konnte sich nur mit sich selbst beraten, um zu entscheiden, dass sein Vorhaben richtig und notwendig war.}
    »Hör zu, Walter«, sagte er schließlich, »du musst helfen. Es hat keinen Zweck mehr, dich nur immer in halbem Wissen zu lassen. Du weißt ohnedies mehr, als ich dir sagen kann.«
    »Was ich nicht wissen soll, das weiß ich nicht, selbst wenn ich es weiß«, entgegnete Krämer.
    »Sind wir jetzt ungestört?«
    »Red nur«, knurrte Krämer. Bochow dämpfte die Stimme.
    »Du weißt, dass wir Waffen besitzen. Wo wir sie versteckt halten, ist Nebensache. Höfel ist der militärische Ausbilder der Widerstandsgruppen. Einer unserer wichtigsten Kumpel! Begreifst du?«
    Krämer zog die Brauen zusammen und nickte stumm.
    »Was sie mit ihm jetzt im Bunker anstellen, weiß keiner«, fuhr Bochow fort. »Sicher ist, dass sie ihn aushorchen werden. Wenn Höfel schwach wird, dann kann durch ihn der ganze Apparat hochgehen. Er kennt die Waffenverstecke, er kennt die Kumpel der Widerstandsgruppen, er kennt uns, die illegale Leitung …«
    Bochow machte eine Pause. Auch Krämer schwieg. Er senkte die Hände langsam in die Taschen und sah vor sich hin. Von der Standhaftigkeit eines Einzelnen hing das Leben vieler, wenn nicht gar die Existenz des gesamten Lagers ab! –
    Diese Ungeheuerlichkeit erschütterte Krämer.
    »Es wäre richtiger gewesen, wenn ich rechtzeitig mit dir gesprochen hätte«, sagte Bochow nach einer Weile, »dann hättest du Höfel das Kind weggenommen, bevor Zweiling dahinterkam …«
    Krämer nickte stumm.
    »Hör zu, Walter, du musst herausbekommen, ob Höfel dichthält. Wir kommen an den Bunker nicht heran. Wie du es anstellst, muss ich dir überlassen, ich kann dir keinen Rat geben. Vielleicht kannst du Schüpp einspannen.«
    Krämer hatte selbst schon an diese Möglichkeit gedacht.
    »Gib mir über alles, was du erfährst, sofort Bescheid. Du weißt nun, worum es geht. Sei vorsichtig, Walter. Wen du auch einspannen magst, sag ihm nur das Notwendigste, sonst aber – Schweigen!«
    »Das brauchst du mir nicht erst unter die Weste zu schieben«, brummte Krämer.
    Bochow klopfte ihm auf die Schulter.
    »Ich weiß, ich weiß …«
    Es lag nicht in Bochows Natur, bei Gefahr den Kopf zu verlieren. Sein Mut war nicht draufgängerisch, sondern abwägend, beobachtend und berechnend. Wenn Bochow etwas als richtig erkannt hatte, dann setzte er es in stiller Beharrlichkeit durch, manchmal sogar ohne Wissen der Genossen, wie es beim Verbergen der sechs Karabiner geschehen war, die im August 1944 unter Ausnutzung des allgemeinen Durcheinanders nach dem amerikanischen Bombenangriff ins Lager geschmuggelt worden waren.
    Bochow hatte den Auftrag erhalten, die kostbaren Waffen schleunigst an einem absolut sicheren Ort zu verstecken, und zwar so, dass sie jederzeit griffbereit und vor dem Verderben geschützt waren. {Noch in derselben Nacht löste Bochow die schwierige Aufgabe auf die einfachste

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