Nackt unter Wölfen
geflogen.«
Zweiling blinzelte.
»Es muss einer gezinkt haben.«
Pippig antwortete schnell:
»Jawohl, Hauptscharführer, es hat einer gezinkt!«
Zweiling ließ die Entgegnung in sich verhallen und sagte daraufhin: »Da müßt ihr doch einen Schweinehund unter euch haben?«
»Jawohl, Hauptscharführer, wir haben einen Schweinehund unter uns!«
Wie stark sich das sagen ließ.
»Und da haben sie … das … wohl mitgenommen?«
»Nein, Hauptscharführer!«
»Wo ist es denn?«
»Ich weiß es nicht.«
Zweiling war sichtlich überrascht.
»Wieso? Gestern Abend war es noch da.«
»Weiß ich nicht.«
Zweiling sprang auf.
»Ich habe es selber gesehen!«
Jetzt hatte er sich verraten. Was bisher starker Verdacht gewesen war, wurde Pippig nun zur Gewissheit: Zweiling war der Zinker. Er war es!
Zweiling starrte in Pippigs undurchdringliches Gesicht. Plötzlich brüllte er Pippig an:
»Alle sollen antreten, das ganze Kommando! Den Schweinehund kriegen wir schon!«
Im gleichen Augenblick aber schlug er um. Er sprang mit einem Satz zu Pippig, der bereits die Türklinke in der Hand hatte, und sagte mit einem Anflug von Vertraulichkeit:
»Nee, Pippig, das machen wir nicht. Wir reden lieber erst gar nicht von der Sache. Meiner Anständigkeit wegen geht es mir vielleicht noch an den Kragen. Wir hängen es nicht an die große Glocke. Versuchen Sie rauszukriegen, wer der Schweinehund gewesen ist, und den melden Sie mir dann. Wir lassen ihn hochgehen.«
Auf Pippigs Zustimmung lüstern, schob Zweiling die Zunge auf die Unterlippe. Doch Pippig schwieg. Er machte die vorgeschriebene Kehrtwendung und verließ das Zimmer. Zweiling sah ihm durchs Fenster nach. Der Mund stand ihm offen. –
Von seinem Raum aus sah Krämer die Verhafteten über den Appellplatz gehen, hinter ihnen Kluttig und Reineboth, Kropinski schwankte, und Höfel ging mit gesenktem Kopf.
Hinter den Fenstern der Schreibstube standen die Häftlinge und verfolgten mit neugierig aufgerissenen Augen die Gruppe.
Pröll kam zu Krämer gestürzt. Jetzt waren die vier oben am Tor angelangt. Man musste scharf hinsehen, um auf die weite Entfernung noch etwas zu erkennen. Dennoch gewahrtendie beiden am Fenster, dass die Verhafteten in den rechten Flügel des Torgebäudes gebracht wurden.
Der Bunker verschluckte sie.
{»Aus«, sagte Krämer wie unter einem Zwang.}
Pröll sah Krämer an, keines Wortes mächtig, nur in seinen Augen flackerte die entsetzte Frage: Warum?
Krämers Züge verfinsterten sich. –
Die Kunde von dem Ereignis sprang schnell durchs Lager. Höfels Verschleppung roch nach »dicker Luft«. Was war los? Häftlinge trugen die erregende Neuigkeit in die Blocks. In die Optikerbaracke brachte sie ein Läufer.
»Eben haben sie Höfel und einen Polen in den Bunker geschafft. Kluttig und Reineboth haben sie geholt. Da ist etwas faul …«
Pribula und Kodiczek sahen sich besorgt an: der militärische Ausbilder im Bunker? Was bedeutete das? Auch bis zum Revier eilte die Nachricht. Van Dalen verhielt sich still, als er davon erfuhr. Er wusch im Spülraum schmutzige Binden aus. Seine buschigen Brauen zogen sich nachdenklich zusammen. Das konnte eine gefährliche Sache sein. Er war versucht, alles stehen und liegen zu lassen und zu Bochow zu laufen. Doch unterließ er es klugerweise, eingedenk des obersten Gebots für alle illegalen Funktionäre, unauffällig zu bleiben. Wenn es wirklich gefährlich war, dann würde er rechtzeitig entsprechende Anweisungen erhalten.
Schüpp, der sich in der Gegend der Effektenkammer herumgedrückt hatte, wurde von Häftlingen des in der Nähe befindlichen Bades ausgefragt. Sie brachten es zu Bogorski, der verbarg seine Besorgnis hinter Gleichgültigkeit.
»Nun, was wird sein? Wird Höfel nicht haben aufgepasst.«
Bochow erfuhr es durch die Stubendienste, die es aus der Küche mitbrachten. Die Unruhe hielt ihn nicht lange auf dem Block. Er benutzte einen Vorwand, um nach der Schreibstubezu gehen. Zum Glück traf er Krämer allein an. Insgeheim hatte sich dieser vor der Begegnung mit Bochow gefürchtet. Nur zu gut wusste Krämer, warum er es dem bedrängten Höfel überlassen hatte, mit Bochows Anweisung allein fertigzuwerden. Es war der geheimnisvolle menschliche Widerstand gewesen, der sein Gewissen beide Augen zudrücken hieß, nachdem er den Auftrag weitergegeben hatte. Nichts mehr damit zu tun haben. Nichts mehr sehen, nichts mehr wissen!
Aus dem gleichen Widerstand heraus begehrte er gegen Bochow auf,
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