Nackt unter Wölfen
Herr Hauptscharführer«, entgegnete Schüpp folgsam und übertrug seine Geschäftigkeit auf Förste. Die Schalter prüfend, meinte er zu ihm: »Die Leitung scheint tot zu sein …« Mit dem sicheren Instinkt des Gefangenen verstand der Kalfaktor die Chiffre der Anspielung. Sofort hatten die beiden Häftlinge den notwendigen Kontakt, um sich trotz der Gegenwart des Mandrill weiter zu verständigen.
»Der Hauptscharführer hat schon selbst den Apparat untersucht und nichts gefunden«, sagte Förste. Schüpp verwischte die Chiffre mit einer unverfänglichen Bemerkung:
»Da müssen wir die Leitung nachsehen, irgendwo steckt der Kurzschluss.« Sie suchen nach dem Apparat, und Höfel ist nicht tot. Er hat auch noch nichts gestanden. So übersetzte sich Schüpp die versteckte Rede. Das war eine wertvolle Nachricht. Wie aber ließ es sich einrichten, durch Förste über das Schicksal der beiden Verhafteten auf dem Laufenden gehalten zu werden? Denn Schüpp konnte nicht tagelang an der Leitung herumreparieren.
»Warum musst du die Leitung nachsehen?«, fragte der Mandrill mit kratziger Stimme. Schüpp beruhigte ihn: »Das geht schnell, Herr Hauptscharführer, es kann an einer Stelle der Draht gebrochen sein.« Er ließ sich von Förste eine Leiter bringen und begann, die Oberleitung zu untersuchen. Förste musste die Leiter halten. Vom Aufenthaltsraum rückten sie Meter für Meter in den düsteren Bunkergang hinein. Der Mandrill stand an der Tür seines Raums und beobachtete sie. Schüpp setzte schweigend seine Arbeit fort. Mit diesem finsteren Tier musste er vorsichtig umgehen, in seinem Hirnkasten indessen arbeitete es angestrengt nach einer Möglichkeit, ungefährdet mit Förste sprechen zu können. Gerade das Schweigen zwischen ihnen drängte zur Aussprache, die nur möglich war, wenn der Mandrill ihnen nicht folgen würde. Sie rückten im Gang immer weiter vor, und die Entfernung zwischen ihnen und dem Mandrill wurde größer. Stieg er ihnen hinterher?
Um ihn zu beschwichtigen, entwickelten sie eine emsige Betriebsamkeit, doch zwischen laut hingeworfenen Worten, die dem Mandrill galten: »Stelle die Leiter ein bisschen steiler … so ist es gut … halt fest …«, schmuggelten sie hastige Hauchfetzen ein, die weniger als ein Flüstern waren.
»Ich passe auf, wenn du Freistunde hast …«
Ohne Förstes Antwort abzuwarten, stieg Schüpp auf die Leiter und fingerte am Draht herum.
Sie behielten beide den Mandrill scharf im Auge. Mit Interesse verfolgte Förste die Arbeit des Elektrikers, und als Schüpp herabgestiegen kam und sie die Leiter gemeinsam weitertrugen: »Nun wollen wir auch noch das letzte Stück nachsehen …«, gab Förste zurück: »Wenn Höfel singt, bücke ich mich und mache mir den Schuh zu …« Schüpp hatte verstanden, das genügte, um weitere Nachrichtenübermittlung zu sichern. Er stieg hinauf und rief nach einer Weile zu Förste hinunter:
»Das geht in Ordnung!« Sie nickten sich mit den Augen zu und hatten sich nichts mehr zu sagen. Gemeinsam trugen sie die Leiter wieder nach vorn.
»Na, was ist?«, knurrte der Mandrill böse. Schüpp hob bedauernd die Schultern. »An der Oberleitung finde ich nichts. Ich muss mal nach draußen gehen und den Anschluss nachsehen.«
Die Oberleitung lief am Giebel des Bunkerflügels zum Erdanschluss hinunter. Kurz über dem Boden ragte die Anschlussstelle aus der Erde. Hier war der Draht gerissen. Schüpp schmunzelte. Der Förste war ein findiger Kerl.
Schnell hatte Schüpp den kleinen Schaden behoben und ging zum Bunker zurück. Er schraubte neue Sicherungen ein, und das Licht war wieder da! – Der wortkarge Mandrill schien zufrieden.
»Was war denn los?«
»Nichts Besonderes, Herr Hauptscharführer, nur ein kleiner Kurzschluss am Erdkabel.«
»Warum hast du das nicht gleich nachgesehen?«
Schüpp breitete unschuldig die Arme aus. »Wenn man das nur immer sofort wüsste …«
Der Mandrill hatte dem Fachmann nichts zu erwidern, er entließ ihn mit einer herrischen Kopfbewegung. Schüpp schulterte seinen Werkzeugkasten. Förste beachtete den Elektriker gar nicht, als dieser den Bunker verließ. –
Schüpp berichtete. Es schien, als ob Krämer aufmerksam zuhören würde. Wie es seine Art war, saß er mit breit ausgelegten Ellenbogen und auf die Fäuste gestütztem Kinn am Tisch. Aber er hörte längst nicht mehr zu. Lebhaft schilderte Schüpp, wie es ihm gelungen war, die Aufmerksamkeit des Mandrill abzulenken. Höfel hatte standgehalten! – Jetzt
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