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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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Kommando kannte ihn. Wo kam er her?
    Pippig ließ es keine Ruhe. Unter einem Vorwand stahl er sich aus der Kammer fort und eilte aufgeregt zu Krämer: »Wir haben einen Neuen. Mit dem stimmt was nicht.« Krämer ließ sich durch Pröll die Karteikarte des Wurach, so hieß der Neue, aus der Schreibstube bringen. Sie sagte nichts aus. Wurach, Maximilian, ehemaliger Wehrmachtsangehöriger. Seit zwei Jahren in Haft. – Über den Grund gab die Karte keine Auskunft. Sicher Kameradendiebstahl, vermutete Krämer.
    Vor einigen Monaten war Wurach als Einzeltransport vom Konzentrationslager Sachsenhausen nach Buchenwald gekommen.
    Das ging aus der Karte hervor. Einzeltransport?
    Vor einigen Monaten waren in Sachsenhausen eine Anzahl politischer Häftlinge verzinkt und erschossen worden … Häftlinge, die aus Sachsenhausen nach Buchenwald gekommen waren, hatten es erzählt. Pröll, Krämer und Pippig sahen sich an.
    »Mensch, Walter …« Pippig machte starre Augen. Krämer fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Verflucht!«
    Maximilian Wurach, Einzeltransport, vom Arbeitsdienstführer persönlich ins Kommando gesteckt – das war ein Zinker!
    »Mensch, Walter …«
    Krämer gab Pröll wortlos die Karte zurück, die dieser wieder nach der Schreibstube schaffte.
    Pippig war beunruhigt.
    »Will der Kerl ausbaldowern, wohin wir das Kind gebracht haben?«
    Mit breit ausladenden Ellenbogen war Krämer am Tisch sitzen geblieben, er sah in Pippigs erregtes Gesicht hinein, und seine Gedanken gingen weit über die Vermutung des Kleinen hinaus.
    Es gab in einem Kommando nichts Gefährlicheres als einen Zinker und dessen schleichende Hinterhältigkeit.
    Krämers erster Gedanke hatte den Pistolen gegolten. Ein unbehagliches Gefühl in ihm – Witterung von Gefahr – brachte den Gedanken an die Waffen mit dem Zinker in Verbindung. Krämer kam nicht mehr davon ab. Welchen Auftrag hatte der Zinker? – Auf einmal schienen Krämer die Säcke nicht mehr sicher genug. Die Pistolen mussten weg aus den Säcken! Musste darüber nicht erst mit Bochow gesprochen werden? Krämer schob die Bedenken hinweg, und der Entschluss zum selbständigen Handeln war augenblicklich gereift. Krämer stand auf, bemerkte, dass Pippig noch immer auf ihn einsprach, und schnitt seine Worte mit knapper Handbewegung ab.
    »Hör zu jetzt.«
    Pippig verstummte.
    Krämer ging zur Tür, verhielt einen Augenblick, als horche er nach außen, trat darauf dicht an den Kleinen heran und tippte ihm mit dem Zeigefinger vor die Brust. »Hör genau drauf, was ich dir sage und – Schnauze halten darüber, verstanden?«
    Pippig nickte bereitwillig.
    Krämer schob, die Gedanken ordnend, die Unterlippe vor, dann sagte er knapp: »Drei Kleidersäcke, verstanden?« Er nannte Pippig deren Nummern. »Sie hängen ganz oben in der siebenten Reihe in gerader Richtung vom mittleren Fenster aus.«
    Krämers Worte waren Pippig dunkel, er wartete gespannt, dass der Lagerälteste weitersprach. Krämer presste für einen Augenblick die Lippen zusammen, sah Pippig fest an und sagte unvermittelt: »Drei Pistolen! – In jedem Sack eine.«
    Pippig stockte der Atem, doch in seinem Gesicht zeichnete sich nichts ab von der Überraschung. Das war gut so, konstatierte Krämer.
    »Die Dinger müssen verschwinden, verstehst du?«
    Pippig schluckte schweigend, sein Adamsapfel stieg. Daswar ja … Junge, Junge … Plötzlich musste Pippig an Höfels Weigerung denken, das Kind zurückzubehalten, und er schämte sich, Höfel der Feigheit verdächtigt zu haben. Jetzt waren die Zusammenhänge klar. Krämer bedrängte ihn: »Du musst ein besseres Versteck finden. Guck dich um bei euch auf der Kammer. Sag mir sofort Bescheid, wenn du was gefunden hast.«
    Pippig war zu überwältigt, um sprechen zu können. Er nickte nur und gab Krämer fest die Hand. Das war ein Versprechen.
    Dann ging Pippig in die Effektenkammer zurück. {Waffen!}
    Die Brust wurde ihm weit. Mit veränderten Augen sah er das Lager und dessen Menschen. Die bogenförmig aufgestellten Reihen der niedrigen Baracken erschienen ihm nicht mehr so ängstlich an den Boden geduckt. Über den Kranz der Holzbauten ragte das hohe Steinhaus der Effektenkammer hervor. Dort waren Waffen verborgen. Jetzt erst nahm Pippig diese ungeheure Tatsache voll in sich auf. Sie wollte ihm schier das Herz abdrücken. Das Vorhandensein einer unsichtbaren, allgegenwärtigen Kraft durchschauerte ihn und erfüllte ihn mit einer nie gekannten Freude.
    Waffen!
    Ein Blockführer

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