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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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wieder.
    »Aber … ich kenne sie doch gar nicht …«
    Reineboth schnellte den Zeigefinger gegen ihn.
    »Siehst du, das ist’s, worüber ich mir noch im Unklaren bin. Ich bin ehrlich, mein Lieber, und sage es dir.«
    Zweiling wollte beteuern, Reineboth fuhr ihn hart an.
    »Rede jetzt keinen Quatsch, Zweiling. Es geht um deinen Kopf! Es ist fünf Minuten vor zwölf! Mache mir nichts vor!«
    Zweiling war völlig hilflos.
    »Wie soll ich denn …«
    Reineboth erhob sich. Das Aalglatte seines Wesens war verschwunden. Kalt und gefährlich fauchte er Zweiling an.
    »Wie du das machst – deine Sache. Du hast mit der Kommune gemauschelt, wie weit du mit ihr verfilzt bist – deine Sache. Wie du deinen Kopf aus der Schlinge ziehst – deine Sache. Alles ist deine Sache, kapiert? Wir wollen wissen, wer dahintersteckt. Wen kennst du?«
    Zweilings Augen irrlichterten hin und her.
    »Ich kenne Höfel und Kropinski.«
    »Und wen noch?«
    »Ich kenne Pippig.«
    »Pippig, gut. Wen noch?«
    Zweiling hob ratlos die Schultern und nannte aufs Geratewohl.
    »Ich kenne Krämer.«
    »Krämer kennst du auch, natürlich«, höhnte Reineboth.
    »Leider sind die uns bereits selbst bekannt, die anderen brauchen wir.«
    »Was für andere?«
    Reineboth krachte mit der Faust auf den Tisch, hatte sich aber augenblicklich wieder in der Gewalt. Er richtete sich auf, zog die Uniform straff und sagte geschmeidig: »Die Frist ist kurz. Strenge dich an, mein Lieber …«
     
    Völlig aufgelöst kam Zweiling nach Hause.
    »Mensch, weißt du, dass sie dir an den Kragen wollen?«, empfing ihn Hortense.
    Zweiling {war viel zu erschöpft, um Hortense zu fragen, woher sie es wusste. Er fiel} auf einen Stuhl und knöpfte sich die Jacke am Halse auf.
    »Ich soll ihnen die geheime Organisation bringen.«
    »Dann mach’s«, fuhr Hortense auf ihn ein.
    »Ich kenne doch keinen!«
    Hortense kreuzte die Arme über der Brust.
    »Das haste davon, wegen des verfluchten Judenbalgs. Hätteste es totgeschlagen!«
    Zweiling wand sich verzweifelt hin und her.
    »Wen soll ich bloß angeben?«
    Hortense keifte:
    »Das weiß
ich
doch nicht!
Du
kennst doch die Halunken im Lager und nicht ich!«
    »Und wenn ich die Falschen nenne?«
    Hortense lachte spöttisch.
    »Was geht es uns an? Du hast deinen Kopf zu retten!«
    Zweiling fuhr sich über den Hals.
    Die Nacht war für ihn ohne Schlaf, er grübelte Stunden hindurch. Neben ihm im Bett schniefte die Frau. Auch sie warf sich des Öfteren unruhig hin und her.
     
    Von einem Tag zum andern war ein Neuer im Kommando der Effektenkammer aufgetaucht, angeblich als Ersatz für die beiden Verhafteten. Die Umstände, unter denen derNeue ins Kommando gekommen war, schienen nicht nur Pippig, sondern auch allen anderen verdächtig. In keines der wichtigen Kommandos des Lagers, sei es das Revier oder die Effektenkammer oder die Arbeitsstatistik oder die Schreibstube, kam ein Neuer hinein, dessen charakterliche Zuverlässigkeit nicht vorher {geprüft worden war. Der Lagerälteste wusste in jedem Fall darüber Bescheid, ebenfalls die Kapos der Arbeitsstatistik und der Schreibstube}, die die Arbeitskommandos zu beschicken hatten. Es lag dies in der Eigenart der Häftlingsselbstverwaltung begründet, dass die Vorschläge für die Aufnahme eines Neuen in ein solches Kommando von diesen Häftlingen an den SS-Arbeitsdienst führer gegeben wurden. {So ging es immer.} Die SS-Lager führung kümmerte sich nicht um die inneren Zusammenhänge, die einem solchen Vorschlag vorangingen. Sie hatte lediglich Interesse daran, dass im Lager »alles klappte«, weil sie selbst weder fähig noch willens war, den komplizierten Verwaltungsapparat zu dirigieren. Die Bequemlichkeit der SS-Führer war von den im Lager verantwortlichen Häftlingen ausgenützt worden, im Laufe der Jahre einen zuverlässigen Stamm von Häftlingsfunktionären zu schaffen. Das ungewöhnliche Erscheinen des Neuen auf der Effektenkammer machte die Häftlinge des Kommandos argwöhnisch. Den Neuen hätte ihm der Arbeitsdienstführer geschickt, behauptete Zweiling, und außerdem – er zwinkerte Pippig vertraulich zu, der vor ihm im Zimmer stand –, »außerdem habe ich vorgefühlt, vielleicht kriegen wir Höfel und Kropinski raus«.
    Pippig spürte die Unwahrheit und ging nicht darauf ein. Was der Neue machen solle, fragte er.
    »Was soll er schon machen?« Zweiling entgegnete in einem Ton, als sei ihm der Zuwachs selbst nicht angenehm. Der Neue trug die Markierung der Politischen, keiner im

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