Nackt
einen. Wäre das für Sie ein Problem? Er machte nämlich einen ziemlich scharfen Eindruck, der farbige Typ.»
«Toll», sagte ich. «Ich liebe … scharfe Menschen.»
«Sind Sie auch ein ziemlich scharfer Typ?»
«Glaube schon. Ja, klar.» Ich betastete mich am Kopf.
Sie fragte, wie ich mit Nachnamen heiße, und ich sagte es ihr.
«Was ist das denn für ein Name?», fragte sie. «Doch nicht jüdisch, oder? Griechisch? Na, das soll mir recht sein. Hier draußen gibt es viele scharfe Griechen. Also, hören Sie zu, mein griechischer Freund, der farbige Typ kann erst am Montag anfangen. Wie war’s, wenn Sie morgen früh kommen und Uta Gelegenheit geben festzustellen, wie scharf Sie wirklich sind, Sie scharfer Typ?»
Ich notierte die Adresse und sagte, Samstagmorgen um neun würde ich bei ihr sein. «Pünktlich. Haarscharf.»
Sie erwartete mich vor dem Haus, einem dreistöckigen Gebäude mit sechs Wohnungen, nicht weit vom Wrigley-Stadion. Uta war eine stämmige, muskulöse Frau mit kastenförmigem Gesicht, dick mit Grundierungscreme vollgeschmiert, die jedoch an den Grenzen ihrer beeindruckenden Kinnbacken endete. Ihr Haar war schmutzig blond gefärbt, hinten kurzgeschnitten und vorne lang gelassen, sodass ihr die Ponyfransen auf die Nasenwurzel fielen. Wenn sie sich die aus dem Gesicht wischte, gab ihr das was mit den Händen zu tun, was gut war, weil sie sich vor mehreren Monaten das Rauchen abgewöhnt hatte.
«Gut, was?», sagte sie. «Ich fand es ziemlich schlau.» Wenn sie sprach, hielt sie die Arme nah am Körper, die Fäuste geballt, den Kopf schräg, als wäre sie ein Boxer, der seinen nächsten Schlag abschätzt. «Und jetzt die Ärmel aufkrempeln und Uta zeigen, was wir können, scharfer Typ?»
Ich folgte ihr auf den Hinterbalkon einer Wohnung im zweiten Stock und wartete, während sie den Inhalt ihrer Handtasche ausleerte und ein Knäuel Schlüsselbünde ordnete. Sie und ihre Schwester hatten vor kurzem dieses Gebäude gekauft, das vierte ihres, wie sie hofften, Immobilien-Imperiums. Die Familie war Mitte der vierziger Jahre aus Litauen geflohen und hatte sich in der South Side von Chicago niedergelassen, wo der Vater einen Job in den Schlachthöfen bekommen hatte.
«Wir haben alle gearbeitet», sagte sie. «Haben uns den kleinen Hintern abgearbeitet. Uta hat nie etwas geschenkt gekriegt, das kann ich dir sagen. Im Gegensatz zu manchen Menschen, die ich erwähnen könnte, musste ich ganz unten anfangen und mich nach oben arbeiten.» Sie starrte in Richtung Baseball-Stadion, schüttelte gedankenverloren den Kopf, und ihre Augen bekamen diesen gehetzten, gleichwohl versonnenen Ausdruck, den Therapeuten und Dokumentarfilmer so lieben. «Alles fing mit einem unschuldigen kleinen Mädchen mit abstehenden Zöpfen an, das am Bug eines Schiffes stand, welches in die Neue Welt aufgebrochen war. Das Kind sah zu, wie die wunderschönen Felder seines Heimatlandes dem stinkenden Chaos der Schlachthöfe weichen mussten. Und das Mädchen weinte, oh, wie es weinte. Alles, was das Mädchen und seine Familie hatte, war Grips und ein paar Laibe hartes, altbackenes Brot, aber das durfte sie nicht aufhalten. Das kleine Mädchen mit den abstehenden Zöpfen war nämlich ich. Die Menschen fragen mich, wie ich dorthin gekommen bin, wo ich heute stehe, und ich sage ihnen, dass es viel Arbeit gekostet hat. Zigeinhalb Jahre harter Arbeit bis zur völligen Erschöpfung.»
Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn ein Arbeitgeber ein Bild von sich entwirft, das ihn nicht saufend und Geld verprassend zeigt. Bei Uta packte mich in dieser Beziehung das Grausen. Sollte sie doch schuften und knausern, solang sie dies Verhalten nicht auch von mir erwartete. Ich opferte lieber meine Zeit, ging nach Hause und gab mein Geld so schnell wie möglich aus. Mein Vater erzählte immer, wie er auf verschneiten Straßen Zeitungen verkauft hat, um sich ein besseres Leben leisten zu können. Meine Bestimmung war es, alles abzuwerfen, wofür er so hart gearbeitet hatte, und mich genau in den Aktivitäten zu suhlen, die dieses Land in die Knie zwangen. Für Uta arbeiten, merkte ich, hieß nicken, nicken und nochmals nicken. «Ja, es ist eine Schande, dass die Regierung diese jede Initiative lähmenden Gesetze gegen Kinderarbeit erlassen hat.» – «Nein, diese Hautverätzungen machen mir überhaupt nichts aus, wieso denn auch?» Abends taten mir nicht die Arme weh, sondern der Nacken. Vom Nicken.
«Na, was haben wir denn hier?», sagte Uta und
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