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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Dienstboten. Wer wollte denn die Menschen nicht verändern? Wenn Uta von den Juden sprach, hatte ich nur auf meine Füße gestarrt. Ich hätte ihr zahllose Juden nennen können, auf die ihr Kram nicht zutraf, aber das hätte ihre Meinung nicht geändert, da ihre Entschlüsse schon vor langer Zeit gefallen waren. Das Einzige, was man bei einer Frau wie Uta tun konnte, war das Thema wechseln und von medizinischen Missgeschicken sprechen. Man konnte nur hoffen, dass ein ordentlicher Schlenker in den Magen-Darm-Trakt sie für kurze Zeit zum Schweigen brachte.
    Ich arbeitete mal als Laufbursche auf einer Baustelle und verlor den Job, als der Oberhandwerker, ein voll ausgewachsener Mann mit einem Prinz-Eisenherz-Bubikopf, entdeckte, dass ich homosexuell war. Wir waren den ganzen Sommer prima miteinander ausgekommen, aber sobald ich seinen Drang, transsexuelle Prostituierte zusammenzuschlagen, infrage stellte, ging er mit einem Hammer auf mich los. Der Vorarbeiter kündigte mir so sanft wie möglich, indem er sagte, falls er je einen Bautrupp zusammenstelle, der nur aus Mädchen bestehe, hätte ich absoluten Vorrang. Danach dachte ich noch lange an diesen Oberzimmermann und stellte ihn mir immer in schwerster akuter Lebensgefahr vor. Die Mauern seiner Zelle kamen langsam auf ihn zu. Ein Zug näherte sich seinem gefesselten-und-geknebelten Körper. Der Zünder einer Zeitbombe wurde aktiviert und nur ein Mensch konnte ihn retten. «Aber erst musst du alles zurücknehmen», stellte ich mir vor, wie ich sagte. «Und diesmal musst du es so sagen, als meintest du es auch wirklich, wirklich, wirklich so.» Darüber phantasierte ich ein paar Monate lang und dann über was anderes. Ich habe so schon alle Hände voll mit Leuten zu tun, die mich dafür hassen, wer ich bin. Wenn man sich zu sehr auf die Millionen von Menschen konzentriert, die einen dafür hassen, was man ist, wird man leicht zu einem jener ungepflegten, nachlässig gekleideten Zeitgenossen, die unter dem Gewicht der zweihundert politischen Anstecker zusammensacken, die sie an Jacke und Tornister tragen. Ich habe nicht den leisesten Schimmer, wie man Menschen ändert, aber ich bewahre immer noch eine lange Liste möglicher Kandidaten auf, falls ich es je her-ausfinden sollte.
    Uta kam um fünf zurück und überprüfte begeistert meine Arbeit. Die geschmolzenen Farbplacken waren hart geworden und lagen auf dem Fußboden herum, so knusprig und gewellt wie Kartoffelchips. Sie hob eine Handvoll auf und ließ sie durch die Finger rinnen wie ein Pirat, der eine Kiste Golddublonen gefunden hat. «Na, Herr Scharf jr., da sind Sie ja scharf rangegangen! Da hat die alte Uta ja ein richtig gutes Händchen bewiesen, als sie ihn engagiert hat!» Sie stampfte mit dem Fuß auf die bereits gefallenen Placken, drehte sich einmal um sich selbst und schnipste mit den Fingern.
    Ich überlegte, ob sie betrunken war, aber Uta war die Art Mensch, die keinen Alkohol brauchte, um unangenehm aufzufallen. Ich hatte offenbar ihren Test bestanden und durfte am Montagmorgen wieder zur Arbeit erscheinen und dann auch endlich ihn kennenlernen, «den Wieheißternoch, den farbigen Typ».
    Wieheißternoch war ein großer, massiv gebauter Bursche Anfang dreißig, der auf den Namen Dupont Charles hörte. Während seiner Ruhezustände waren seine Augen verhangen und sinnlich-schläfrig. Sie plierten aus einem hübschen Gesicht im Farbton Beize Walnuss dunkel, den Uta für die Balken zu verwenden trachtete. In Gegenwart einer Autoritätsperson veränderte sich sein Gesichtsausdruck komplett. Als würden seine Züge von einem unsichtbaren Flaschenzug aktiviert, wölbten sich seine Augen vor, seine Lippen dehnten sich zu komischen Proportionen und enthüllten ein Lächeln von erschreckender Intensität. «Nun, ich habe das Gefühl, du bist ein ziemlich scharfer Typ», sagte Uta zu Dupont, als ich den Raum betrat. «Und genau das hat mir der Onkel Doktor verschrieben. Jawoll. Ich brauche alle scharfen Typen, die ich kriegen kann. Was meinst du, scharfer Typ, bist du dabei?»
    «Oh, Frl. Uta», sagte er, «Sie das wissen. Ich sein dabei Schritt für Schritt, der ganze Weg. Sie können kein besser Arbeiter finden als Ole Man Dupont, außer Sie stopfen zehn Normalmänner zusammen und hauen mit Peitsche.»
    Er rieb sich die Hände und grinste in einer Weise, dass mir die Kinnladen schmerzten. Uta stellte uns vor und sah dann zu, wie wir loslegten.
    «Du lieber nicht halten Schweißbrenner zu nah an Holz»,

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