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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Lötlampe wild durch den Raum schoss und mir die Haare von den Armen sengte.
    «Ach, Dupont, du bist wirklich was ganz Besonderes.»
    Es war meine Gewohnheit, pro Stunde einmal eine Zigarettenpause einzulegen, und nur weil Uta da war, sah ich keinen Grund, mit dieser Tradition zu brechen.
    «Das, Mister, ist eine ganz ungezogene Angewohnheit», sagte sie. «Nimm dir ein Beispiel an mir und lass es. Es war schwer, o ja, das war es, aber ich hab’s geschafft, und jetzt sehe ich erst, wie ekelerregend das Rauchen wirklich ist.»
    «Auch nicht gut riechen», sagte Dupont, als könnte er beim Gestank der brennenden Farbe noch etwas anderes wahrnehmen. «Es stinken die Umwelt voll und verursachen Krebs.»
    «Jetzt kriegt er’s aber zu hören», sagte Uta.
    «Ich keinen Krebs kriegen wollen, Frl. Uta. Nein, nein und nochmals nein. Ich nichts wollen, was mich von meinen Zielen abhalten können. Ich auf die medizinische Fakultät wollen und lernen, wie Arzt werden. Dann ich auf eine andere Fakultät wollen und Anwalt werden, und dann ich nicht aufhören, bis ich sein Präsident von den Vereinigten Staaten!»
    «Siehst du», sagte Uta. «Ich schließe mich den Worten eines Arztes, Anwalts und zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten an und sage, dass in dieser Wohnung nicht geraucht wird.»
    Ich trug meine Zigarette auf den hinteren Balkon und hörte zu, wie Dupont Uta einen Posten als Gesundheitsministerin versprach. Er tat gut daran, um seine Gesundheit besorgt zu sein, denn ich plante, ihn sobald wie möglich umzubringen.
    «Glaub nicht, ich würde dich wegen dieser kleinen Zigarettenpause feuern, Mister», sagte Uta, als ich zurückkam. «Es war Duponts Idee und es war eine gute Idee. Warum soll er schuften wie ein Hund, während du auf deinem Hintern sitzt und qualmst wie ein Schlot? Vielleicht wird dir etwas Ebbe im Portemonnaie beim Entzug helfen. Manche Menschen muss man eben zu ihrem Glück zwingen.»
    «Das stimmen genau!», sagte Dupont.
    Später fragte ich ihn, warum er sich die Mühe machte, diesen ganzen Quatsch durchzuziehen. Er steckte sich eine Zigarette an, hob die Schultern und erklärte, er brauche das Geld. Ich sagte, ich brauchte das Geld ebenfalls, es sei aber doch genug Arbeit für alle da. Warum haute er mich in die Pfanne und benahm sich wie ein Vollidiot, wenn es nicht nötig war?
    «Sie mag es», sagte er. «Na und. Wenn du willst, dass sie dich mag, solltest du dich vielleicht ein bisschen mehr anstrengen, scharfer Typ.» Er wischte sich die Kappen seiner Turnschuhe mit einem Papiertaschentuch ab und sagte: «Hey, hast du jemals ein dickes, sommersprossiges Mädchen gefickt, während ihr Freund weggetreten vor dem Fernseher saß?»
    Teilweise genoss ich Duponts Geschichten, weil ich sie nie ganz glaubte. Es war weniger sein Mathelehrer in der siebten Klasse, der seinen erigierten Penis mit dem Rechenschieber vermessen hatte, was mich so fesselte, als die Annahme, mich könnte so was beeindrucken. Er wusste, dass ich einen Freund hatte, und beharrte trotzdem auf seinen Fragen: «Wann hast du zum letzten Mal einer Studentin Motorenöl auf die Titten gekippt?» Für Uta spielte er die Rolle, die sie, wie er glaubte, von ihm erwartete, und bei mir machte er das auch. Für die Geschäftsfrau mit Grundbesitz war er der grinsende Bimbo-Komiker, der sich auf einen umgestülpten Eimer stellte, um seinen hoffnungslosen Bericht zur Lage der Nation vorzutragen. Für einen, wie er glaubte, sexbesessenen Homosexuellen war er der unermüdliche Hengst, der zwischen Heuschober und Himmelbett streunte, um seiner stetig expandierenden Herde begeisterter Stuten zu Willen zu sein. Ich glaube, wir alle beugen uns vermeintlichen Erwartungshaltungen, aber allen Ernstes ein Rauchverbot auszusprechen: das ließ auf eine ernsthafte Persönlichkeitsstörung schließen. Wer war er bei seiner Mutter? Bei seiner Freundin oder seinem Vater? In seinem Bestreben, allen alles zu sein, war es Dupont gelungen, einer der mysteriösesten Menschen zu werden, die ich je kennengelernt habe. Koma-Patienten enthüllen mehr über sich.
    Wir machten für gewöhnlich fünfundvierzig Minuten Mittagspause und holten uns Cheeseburger von einem Stand auf der Straße. Wenn Uta da war, stieg er auf Reiskuchen mit Joghurt um, was sie persönlich am liebsten aß, weil sie versuchte, das wieder abzunehmen, was sie durch den Verzicht auf Zigaretten zugenommen hatte. Er mampfte das Zeug in fünf Minuten weg, wischte sich die Lippen mit dem

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