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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Hände hoch und sagte: «Redet keinen Scheiß! Ab ins Bett.»
    Heute Abend war er besonders stinkiger Laune und kündigte seine Ankunft lange an, bevor er den Raum betrat. «Was macht ihr da oben? Steptanz? Wollt ihr eine Schau abziehen, wollt ihr das? Für heute Nacht ist das Theater geschlossen. Geht damit auf Tournee; es ist vier Uhr morgens, verdammt noch mal.»
    Wir wandten uns instinktiv an unsere Mutter. «Komm nicht in die Küche», rief sie. «Wir wollen nicht, dass du sie siehst … äh … deine Weihnachtsgeschenke.»
    «Meine Geschenke? Tatsächlich?» Seine Stimme wurde so sanft wie ein Miauen. «Na, dann macht mal weiter.»
    Wir lauschten seinen Schritten, als er den Korridor entlang in sein Zimmer tappte, dann hielten wir uns den Mund zu und lachten, bis uns der Blick verschwamm. Längst heruntergeschluckte Kuchenstückchen statteten unserer Kehle einen erneuten Besuch ab, und unsere Gesichter, in den dunklen Fenstern widergespiegelt, glommen und vibrierten.
    Jedes Beisammensein hat sein eigenes Zeitmaß. Als Erwachsener lenke ich mich damit ab, es herauszufinden, und ich fürchte den Zeitpunkt des unweigerlichen Abflauens. Die Gäste werden sich einmal zu oft wiederholen, oder die Drogen oder die Getränke gehen zur Neige, und es wird einem klar, dass das das einzige war, was man je gemeinsam hatte. Damals glaubte ich jedoch noch, so ein warmes und berauschendes Gefühl könnte ewig währen, und ich könnte, indem ich es vorbehaltlos umarmte, eine Annäherung an das gleiche sehnsuchtsvoll zufriedene Gefühl erreichen, welches Erwachsene bei der zweiten Bestellung verspüren. Ich hatte Lisa gehasst, war eifersüchtig auf ihr geheimes Leben gewesen, und jetzt, über meiner großen Tasse mit klumpigem Kakao, war ich sehr, sehr stolz auf sie. Überall in unserer Straße waren die Häuser mit Sperr- holz-Engeln und in bunte Glühbirnen gefassten Krippen dekoriert. Drüben in der Coronado Street hatte jemand Lautsprecher auf seinen Bäumen festgezurrt, die den Wald aus Zuckerstangen, den er neben seiner Einfahrt angepflanzt hatte, mit Weihnachtsliedern beschallten. Unsere Nachbarn würden früh aufstehen, die Einkaufszentren aufsuchen, sich geschenkverpackte Fusselrollen und bommelverzierte Golfschlägerschoner besorgen. Weihnachten würde kommen, und wir, die Bürger dieses Landes, würden uns um identische Bäume sammeln und unserer Freude mit abgenutzten Klischees Ausdruck verleihen. Truthähne würden rösten, bis sie einen harten, schellackähnlichen Überzug hatten. Schinken bekämen ein X eingeschnitzt und eine Fruchtglasur verpasst –, und das alles von mir aus herzlich gern. Sollte ich einen fahrbaren Staubsauger oder gar einen verrunzelten Nasenaffen bekommen, so hätte mich das auch nicht heftiger entzückt als das Wissen, dass wir die einzige Familie in dieser Gegend waren, die eine Prostituierte in der Küche hatte. Wenn ich von jetzt an hörte, wie der Weihnachtsmann «Ho ho ho!» rief, würde es sich für mich wie «Hu, Hu, Hu!» anhören und eine ganz andere Bedeutung haben; und ich würde es, wie meine übrige Familie, mit jenem Stammeszusammengehörigkeitsgefühl, das uns so auszeichnet, zu schätzen wissen. Plötzlich wurde mir das klar. Einfach so.

Planet der Affen
    E s begann nach einem Planet der Affen-Marathon in einem Billig-Kino, etwa eine Meile vom Haus meiner Eltern. Die erste Folge hatte ich neunmal gesehen und immer darauf gewartet, dass Zira fragte: «Was, glauben Sie, wird er in der Verbotenen Zone finden, Dr. Zaius?» Das infrage stehende Gebiet war eine riesige Ödnis, off limits für die intelligenten Schimpansen und kriegerischen Gorillas, die diese auf den Kopf gestellte Welt bewohnten. Als Bright Eyes, der trutzige Astronaut, der auf diesem Planeten gestrandet ist, entkommt Charlton Heston seinen Häschern und reitet in Begleitung der stummen menschlichen Titten-Ilse, die er zu seiner Gefährtin erwählt hat, in die Verbotene Zone. Ihr Pferd trabt über dürre Wüsten und Sandstrände, bis sie auf die halbbeerdigten Reste der Freiheitsstatue stoßen. Als ihm plötzlich klar wird, dass er sich während der gesamten Dauer des zweistündigen Films auf seinem Heimatplaneten befunden hat, sitzt Charlton Heston von seinem Pferd ab und kniet sich in den Sand. «Seid verdammt!», schreit er, reckt und schüttelt die Fäuste der hitzebläschenverursachenden Sonne entgegen. «Seid alle verdammt und fahrt zur Hölle!»
    Ich hatte das Kino an einem hellen, feuchten Vormittag

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