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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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er sich mit Handschlag vor. Die Hand bekam allerdings nur Seifferheld, nicht die beiden Jungs am Küchentisch. »Ich habe schon von Ihnen gehört. Sie sind eine Legende, Herr Kommissar.«
    Das schmeichelte Seifferheld. Im Grunde konnte er sich als Mann seiner Nichte durchaus auch einen Polizisten vorstellen. Moment mal, wie war das doch gleich? Verwarnt?
    »Verwarnt?«
    »Ihre Nichte hat Ihren Gefahrhund ohne Maulkorb und ohne Leine durch den Park laufen lassen.« Er tätschelte dem Gefahrhund, der freundschaftlich seinen Schädel zwischen die Polizistenbeine rammte, die Hundeohren und sah zu Karina. Besser gesagt, auf ihren Po, der gerade verführerisch aus dem Kühlschrank herauslugte, weil sie in dessen eisigen Tiefen nach mehr Orangensaft suchte. »Ich lasse es ausnahmsweise bei einer Verwarnung bewenden. Nächstes Mal werde ich aber ein Bußgeldverfahren einleiten müssen. Bei Gefahrhunden ist die Gesetzeslage eindeutig.«
    Fela und Tayfun folgten dem Blick des Polizeiobermeisters auf den Po der Frau, die jeder von ihnen für sich beanspruchte. Nichts eint zwei Gegner mehr als ein gemeinsamer Feind.
    »Polizeistaat«, brummte Tayfun.
    »Bürgerbevormundung«, zischelte Fela.
    »Danke, Herr Kollege«, rief Seifferheld schnell. Aber Viehoff hörte gar nicht auf die beiden Eifersüchtigen. Ein Mann in Uniform erachtete Jeansträger nicht als ernstzunehmende Konkurrenz.
    »Vielleicht können wir uns ja mal zum Essen treffen, und ich erläutere Ihnen die Einzelheiten der Gefahrhundehaltung? Mach ich gern«, sagte Polizeiobermeister Viehoff zu Karina.
    Die lehnte sich lasziv-sirenenhaft an den Kühlschrank, legte den Kopf schräg und blinzelte zu ihm auf.
    Tayfun und Fela standen abrupt auf.
    Seifferheld runzelte die Stirn. Meine Güte, würde es jetzt eine Schlägerei in seiner Küche geben?
    Plötzlich hielten alle inne.
    Fela sagte: »Riecht ihr das zufällig auch?«
    Karina presste sich die Hand vor den Mund. »O Gott!«
    Seifferheld erlebte eine spontane Wunderheilung und schoss von der Massageliege hoch.
    Feuer!

10 : 59  Uhr
    Kinder unter elf Jahren sind mit Klebeband und
Vorhängeschloss zu sichern!
     
    »Ich wollte nur feiern. Das macht man doch so.« Mozes guckte unwirsch-zerknirscht. Immer gaben alle ihm die Schuld. Aber ein bisschen steckte ihm auch der Schock in den Knochen.
    Mozes war im alten Mädchenzimmer unter dem Dach untergebracht. Es passten gerade mal ein Bett, ein Beistelltisch und ein Kleinfernseher in den fünf Quadratmeter großen Raum, aber das reichte für Mozes völlig aus. Er hatte Spongekopf Bob geschaut, als seine Mutter ihn auf dem Handy angerufen hatte, um ihm zu sagen, dass sie und Papa am nächsten Montag zurückkommen würden.
    »Und das habe ich feiern wollen, mehr nicht«, erklärte Mozes den Männern. Aus seinem Zimmer rußte es noch ein wenig, aber das Feuer war gelöscht. Er musste jetzt auch fast gar nicht mehr husten.
    Mozes hatte ein bisschen Angst. Nicht, weil er mit seinen Wunderkerzen die Gardine in seinem Zimmer angekokelt hatte, sondern weil so viele fremde Männer um ihn herumstanden. Er erkannte nur seinen Bruder Fela und seinen Nenn-Onkel Seifferheld. Aber da waren auch noch große Männer in Uniform. Das schüchterte ihn enorm ein. Das und die Tatsache, dass so viele Polizei- und Krankenwagen und Feuerwehrautos ihr Blaulicht in der schmalen Gasse aufleuchten ließen. (Seit dem großen Stadtbrand von 1728 ging man in Schwäbisch Hall lieber auf Nummer sicher, wenn irgendwo in der historischen Innenstadt Feueralarm ausgelöst wurde.) Womöglich war er dieses Mal doch zu weit gegangen? Es war aber doch keine Absicht gewesen. Es war nie Absicht!
    »Um eine mögliche Rauchvergiftung auszuschließen, sollten wir den Kleinen mitnehmen«, meinte der Sanitäter und tätschelte den Afro von Mozes.
    »Wir müssen noch einige Maßnahmen ergreifen, um einen möglichen Schwelbrand zu vermeiden«, erklärte der Brandschutzmeister. Die Fensterseite des Zimmers war arg in Mitleidenschaft gezogen – Gardinenstange und Kleinfernseher waren nicht mehr zu retten.
    »Karina ist bestimmt schwer geschockt, ich gehe mal besser was mit ihr trinken, damit sie sich wieder beruhigt«, erklärte Polizeiobermeister Viehoff.
    Ein Morgen wie aus der Schreckenskammer des Hieronymus Bosch.
    Doch ein Gutes hatte das Ganze: Vor Schreck hatte Seifferhelds Hüfte vergessen, dass sie an diesem Tag eigentlich malade sein wollte.
    Er konnte sich wieder bewegen.

20 : 00  Uhr
    Die Schönen, die Reichen

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