Nadel, Faden, Hackebeil
Dekolleté kroch.
So ja nicht!
»Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte er zu Müllerschön, was Müllerschön aber wohl gar nicht mehr hörte, weil Seifferheld im Turbotempo dem Ausgang zuhumpelte, die Gehhilfe fest umklammert. Im Zweifel würde er diesen perversen alten Sack im teuren Zwirn gnadenlos niederknüppeln. Heute schreckte er vor gar nichts zurück. Nicht heute.
Karina, über die seit der Betttuchaffäre im musealen Barocksaal Hausverbot im Museum verhängt worden war, hatte beim Lüften ihres verqualmten Zimmers gesehen, wie Dr.Arnfried Kolb zum Rauchen aus dem Museum getreten war. Sofort hatte sie den lila La-Perla-Spitzen- BH (Körbchengröße C) angezogen, den sie nach der OP tragen zu können hoffte. Sexy, verrucht, mit einem Hauch der großen weiten Welt. Momentan musste sie ihn allerdings noch mit jeder Menge Wattebäuschchen ausfüllen.
Seifferheld hatte sie in dem Moment ertappt, als sie den ahnungslos vor sich hin schmauchenden Dr.Kolb überfallartig ansprach. Vor seiner Nase zog sie ihren weit ausgeschnittenen Pullover nach vorn und sagte: »Sehen Sie, so stelle ich mir die Füllung später vor. Prall. Also, wenn Sie mir Silikon einsetzen, müsste das etwa in dieser Menge geschehen.« Woraufhin sie die Wattebäusche aus den lila Körbchen fischte.
»Was ist denn hier los?«, verlangte Seifferheld zu wissen, der schwer schnaufend neben den beiden zu stehen kam.
»Nichts, Onkel Siggi. Das ist ein vertrauliches Gespräch zwischen mir und meinem Arzt«, erklärte Karina, während sie weiter nach Wattebäuschen angelte.
»Angenehm, Dr.Arnfried Kolb«, sagte Kolb, schnippte seine Zigarette bondgleich in hohem Bogen direkt hinein in den Standascher und reichte Seifferheld die Hand.
Der zögerte kurz. Er fand es höchst suspekt, dass seine eben erst volljährig gewordene Nichte diesem Menschen ihre Brüste zeigte. Noch dazu in aller Öffentlichkeit.
Dann schlug Seifferheld doch ein und schüttelte Dr.Kolb die Hand. Nicht zuletzt deshalb, weil er seine Nichte kannte und der Mediziner mit 99 , 9 -prozentiger Sicherheit unschuldig an dieser Szene war.
»Angenehm, Siegfried Seifferheld. Haben wir uns nicht schon einmal …?«
»Nein, wir kennen uns nicht. Aber ich habe Sie bei Sissi von Bellingen gesehen.« Kolb strich sich eine imaginäre Locke aus der Stirn. Seine Armbanduhr funkelte im Licht der Lampe vor dem Museumseingang. Eine Langematik-Perpetual in 18 Karat Gelbgold von A. Lange & Söhne.
Seifferheld erkannte das Modell sofort; er hatte es einmal bei seinem Bruder, dem Juwelier, gesehen. Eine ausnehmend schöne Herrenuhr. Sie kostete mehr als der BMW seiner Tochter Susanne. Und die schwarze Tahiti-Perle als Krawattennadel war sicher auch kein Schnäppchen bei einem der örtlichen Juweliere gewesen.
»Ach ja? Sie haben dort auch einen Kondolenzbesuch abgestattet?«
»Ja, zur gleichen Zeit wie Sie. Als es diesen kleinen Eklat mit Fippa von Sölln gab. Ich stand etwas abseits vor dem Kamin, mit der Landrätin und dem Abwasserschutzbeauftragten.« Kolb erlaubte sich ein feines Grinsen. »Sie haben also Fippas Ring bei Lamberts Drittfrau gefunden?«
Seifferheld fragte sich kurz, was Kiki Runkel davon halten würde, als Drittfrau bezeichnet zu werden. Wer wollte schon die Dritte auf der Liste sein? Gut, der Dritte auf dem Siegertreppchen, der konnte sich freuen, dass er nicht Vierter geworden und völlig leer ausgegangen war. Aber in Herzensdingen strebte doch wohl jeder nach Gold. Oder zumindest nach Basisdemokratie und der Aussage »eine seiner Freundinnen«.
»Ich bedauere zutiefst, dass ich Frau von Bellingen noch mehr Kummer zugefügt habe«, sagte Seifferheld, was so natürlich nicht ganz stimmte, denn er hatte es ja absichtlich darauf angelegt, eine Reaktion zu provozieren. Aber er wollte den Menschen, die für seine Erziehung zuständig gewesen waren, keine Schande bereiten.
»Ich fand das Ganze sehr amüsant. Und Sissi leidet nicht die Bohne, da können Sie absolut sicher sein.«
»Sie sind schon länger mit den von Bellingens befreundet?«
Dr.Kolb schürzte die Lippen. »Es handelt sich eher um eine professionelle Beziehung zu Frau von Bellingen.«
»Ach?«
»Ich folge in meinem Leben der Berufung, Frauen schöner zu machen.«
»Frau von Bellingen hat sich also bei Ihnen unters Messer gelegt?«
Dr.Kolb lächelte fein und schwieg.
»Frau Runkel auch?« Womöglich bekam Lambert von Bellingen Mengenrabatt bei Kolb. Fippa war aber nie bei ihm gewesen, das war augenfällig.
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