Nadel, Faden, Hackebeil
einverstanden. Er hatte offenbar damit gerechnet und sich vorbereitet. An seinem Genitalbereich hatte er eine Plastikvenüle mit hellem Traubensaft festgeklebt. Den Saft leerte er in das Teströhrchen. Der Schwindel fiel den Beamten jedoch sofort auf. Sie ordneten bei dem Autofahrer eine Blutprobe an. Bei der anschließenden Personen- und Fahrzeugdurchsuchung fanden die Beamten eine größere Menge Marihuana. Der Führerschein wurde beschlagnahmt. Die Ermittlungen dauern an.
10 : 05 Uhr
Testosteronalarm – bitte ducken!
Man musste kein eingefleischter Esoteriker sein, um zu glauben, dass ein Haus mit den Jahren ein wenig den Charakter seiner Bewohner annahm. Es duftete – wie im Fall des Seifferheldschen Hauses in der Unteren Herrngasse – nach Chanel No. 5 und nach Sir Irish Moos und nassem Hund. Über die Böden zogen sich, weil immer dieselben Füße mit denselben Schrittmustern darüberliefen, mit der Zeit tiefe Spurrillen. Das vermittelte gleich beim Eintreten dieses wohlige Gefühl des Zuhauseseins.
Seifferheld wohnte gern in seinem Elternhaus, seine Höhle der Geborgenheit in einer unsicheren Welt. Einer Welt, die zum Bösartigen tendierte. Und die einen – völlig unverschuldet – in schlimme Bredouillen stürzen konnte.
Er liebte MaC – was im Moment nur er und seine alte Musiklehrerin wussten –, und dennoch sah es zwischen ihnen beiden gerade sehr schlecht aus. Am liebsten wäre er an diesem Morgen zu ihr geeilt, hätte sich vor ihr auf die Knie geworfen und um Verzeihung gefleht. Die ganz große Geste, das volle Programm. Aber seine Hüfte hatte sich genau diesen Morgen ausgesucht, um ihm vehement in Erinnerung zu rufen, dass der Mensch endlich ist und eine Hüfte, in der eine Kugel steckte, noch viel endlicher.
Kurzum, Seifferheld war bewegungsunfähig.
Olaf, der einen dringenden Termin hatte, konnte ihn gerade noch notversorgen. Er stellte seine Massageliege in der Küche auf, hievte Seifferheld hinauf, massierte einige neuralgische Punkte, spritzte ein heilendes Duftöl auf Patient und Liege und eilte davon.
Und da lag Seifferheld nun, bewegungsunfähig, im Pyjama unter der karierten Fleecedecke, und wartete auf Olafs Rückkehr. Es war entwürdigend!
Irmi hatte ihm freiwillig Most in Reichweite auf den Tisch gestellt. »Wenn ich was trinke, muss ich es irgendwann auch entsorgen, und ich schaffe es nicht ins Bad«, hatte Seifferheld moniert.
Woraufhin ihm Irmi noch eine leere Milchflasche dazustellte und auf seine Proteste hin sagte: »Zier dich nicht, du warst doch beim Bund. Ich muss jedenfalls los.« Sie hatte ominöse Besorgungen zu tätigen. Wirklich, was war nur mit dieser Frau los?
Auch um seine Tochter Susanne machte er sich Sorgen. Sie war an diesem Morgen zum Arzt gegangen, weil das ständige Erbrechen nicht besser wurde.
Mozes war auf seinem Zimmer, Fela bei der Arbeit, und Karina drehte mit Onis eine Runde im Park.
Da klingelte es an der Haustür.
Sicher der Paketbote.
Es klingelte erneut.
Seifferheld schüttelte den Kopf. Er konnte unmöglich aufstehen. Wer immer das war, er würde wiederkommen müssen.
Doch wer immer das war, sah das anders.
Seifferheld hörte, wie am Schloss der Haustür hantiert wurde.
Seine Nackenhaare stellten sich auf. Natürlich schoss ihm sofort ein Gedanke durch den Kopf: die Einbruchsserie in Innenstadthäusern!
Die Einbrecher konnten ja nicht wissen, dass es bei den Seifferhelds nichts Wertvolles gab. Abgesehen vielleicht von Irmis Meissener Porzellan, aber das war ja nun nicht gerade der Bringer auf dem Schwarzmarkt.
Seifferheld hielt den Atem an. Vielleicht konnte er sich mit der – noch leeren – Milchflasche verteidigen? Besser wäre sicher eine volle Milchflasche gewesen: Morgenurin mitten in die Augen machte zweifellos blind!
Die Küchentür wurde aufgestoßen.
Und Fela Nneka trat ein.
»Oh, hallo«, sagte der, sichtlich enttäuscht.
»Ja, freut mich auch.« Seifferheld holte wieder Luft und ließ die Milchflasche los.
»Ich dachte, ich würde Karina hier treffen. Sie hat heute Vormittag doch vorlesungsfrei.«
»Karina ist mit dem Hund unterwegs. Ich kann mich heute leider nicht bewegen.«
Fela sah ihn besorgt an. »Kann ich was für Sie tun? Möchten Sie etwas trinken? Oder essen? Oder soll ich jemand anrufen?«
So ein netter Junge!
»Wenn du gerade freihast, dann könntest du mir Gesellschaft leisten, bis Karina wiederkommt.«
Fela grinste. »Gern.«
Er braute sich einen Kaffee, schenkte auch
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