Nadel, Faden, Hackebeil
weiterhin Mordfälle und steh endlich zu deinem Hobby.«
Seifferheld hatte in diesem Moment das Gefühl gehabt, dass am Steuerruder seines Lebens ausschließlich Frauen standen und dass alle Männer in seinem Leben elende Verräterschlümpfe waren.
Aber natürlich hatte er sich – zumindest in einem Punkt – an Biggis Rat gehalten, und jetzt saß also Frau Denner in seinem Zimmer. Nun darf man weiß Gott nicht glauben, bei Mord zwo würde Sodom und Gomorrha herrschen und jeder Dahergelaufene könne sich mal eben schnell Akteninformationen besorgen – aufgrund seiner Polizeiberichttätigkeit stand Seifferheld immer noch auf der aktiven Gehaltsliste der Behörde, und es war somit kein strafwürdiges Vergehen, nur eine minderschwere Regelwidrigkeit.
Frau Denner streckte sich auch weiterhin auf dem Sessel aus. Allerdings wirkte sie bei näherem Hinschauen nicht sinnlich aufreizend, sondern wie ein ausgewrungenes Handtuch, das zum Trocknen auslag. Frau Denner hatte einen extrem anstrengenden Tag im Büro gehabt. Und auch privat lief nicht alles rund.
»Ich kann nicht kochen, ich kann nicht nähen, ich kann gar nichts, was Frauen so können sollten. Manchmal fühle ich mich, als sei ich gar keine richtige Frau.« Frau Denner sagte das nicht zu Seifferheld, sondern zur Stuckdecke über ihrem Kopf.
Wenn sie gekonnt hätte, hätte die Stuckdecke verstehend genickt.
Frau Denner ließ ihren Blick auf Seifferheld sinken. »Meinen Sie, Sie können mir das Sticken beibringen? Das wäre so ein wunderbar weibliches Hobby. Ich könnte meinen Freundinnen Selbstgesticktes schenken!«
Seifferheld wiederum hörte es nicht gern, dass Sticken Frauensache war. Er verfluchte sein Schicksal, das ihm diese plötzliche Stick-Leidenschaft aufgezwungen hatte. Er gab der Schussverletzung die Schuld – die Kugel in seiner Hüfte musste irgendwas ausgelöst haben. Einen Hormonschub. Oder ein Trauma.
»Wenn Sie nachher gehen, werden Sie zumindest den einfachen Kreuzstich draufhaben. Damit lassen sich schon schöne Sachen machen«, versicherte er ihr. Seifferheld hatte Stickvorlagen für Anfänger im Internet per Expresslieferung besorgt. Stickvorlagen waren ein wenig wie Malen nach Zahlen, aber besser als nichts.
Frau Denner lächelte. »Na, dann los!«
Er reichte ihr die Jutetasche. Sie setzte sich auf, nahm die Akte von Bellingen heraus und legte sie neben den Sessel.
»Ich werfe am besten gleich einen Blick hinein«, sagte Seifferheld und beugte sich vor und verlor im Vorbeugen das Gleichgewicht und wollte nach seiner Gehhilfe greifen, aber die Gehhilfe stand neben dem Bett, und er ruderte mit den Armen, aber es war zwecklos und – schwupps! – landete er bäuchlings auf Frau Denner.
»Huch!«, quietschte sie fröhlich.
»Hoppla«, murmelte Seifferheld.
» SIGGI !«, donnerte es aus Richtung der geöffneten Zimmertür.
MaC, von der er seit der Sache mit Usch Meck keinen Pieps mehr gehört hatte und die er deshalb schmollend zu Hause oder im Kollegenkreis weinschorletrinkend in ihrer Stammkneipe vermutet hatte, stand mit wirren Haaren und bösem Blick in der Tür. Das mit dem Hausschlüssel war definitiv voreilig gewesen!
MaC war fassungslos. Sie war zu ihm geeilt, weil sie ihn liebte und weil ihr mittlerweile klar war, dass sie vollkommen überreagiert hatte, und weil er der wunderbare Mann an ihrer Seite war und sie es gar nicht erwarten konnte, das mitgebrachte Huhn süßsauer vom China-Thai-Wokman mit ihm zu teilen und danach in seinen Armen zu liegen. Und nun lag bereits eine andere Frau in seinen Armen – oder er in ihren –, und womöglich hatte diese Schnepfe auch von etwas kosten dürfen, aber sicher nicht von einem Huhn süßsauer.
»Ich kann das erklären!«, rief Seifferheld aus der Achselhöhle von Frau Denner, weil überall nur Frau Denner und kein Sessel zu sein schien und er nicht wusste, wie er sich abstützen sollte, ohne dabei weibliche Weichteile zu berühren.
»Danke, das erübrigt sich!«, fauchte MaC und zog ab. Man meinte Rauchwölkchen über ihr aufsteigen zu sehen.
»Die kriegt sich wieder ein«, prophezeite Frau Denner.
Seifferheld war sich da nicht so sicher. Er galt jetzt als Wiederholungstäter.
Es sah nicht gut für ihn aus.
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6 . Kapitel
Aus dem Polizeibericht
Perfider Pinkel-Betrug
Bei einer Verkehrskontrolle wurde am Donnerstag um 20 Uhr 50 ein 21 -Jähriger überprüft. Der Mann stand unter Drogeneinfluss, erklärte sich aber mit einem Urin-Schnelltest
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