Nadel, Faden, Hackebeil
schon besorgen wollen … den ›Fall‹ …« Seine Augenbrauen vollführten einen Salsa, und er betonte jede Silbe betont augenfällig, um nur ja keine Namen nennen zu müssen. Die beiden Filztanten legten die Köpfe schräg, damit sie besser hören konnten.
Er nahm Marianne am Ellbogen und zog sie die kleine Rampe hinunter zur Garderobe.
»Die Frau war eine Kollegin von Mord zwo und hat mir …«
Die beiden Filztanten marschierten lässig durch die Garderobe, durch die es – über eine Wendeltreppe – auch zu den Toiletten ging. Seifferheld war sicher, dass sie außer Sichtweite auf den Stufen stehen blieben und lauschten.
Er flüsterte MaC ins Ohr: »Ich wollte Informationen zu den Morden an Kiki Runkel und Lambert von Bellingen von ihr erlangen.«
»Da hätte ich dir auch weiterhelfen können, ich hätte dir beispielsweise sagen können, dass von Bellingen sein Testament geändert hat und nun seine Frau alles erbt und der bankrotte Bruder nur den lächerlich geringen Pflichtteil bekommt, aber du beziehst deine Informationen ja offenbar lieber über Körperkontakt zu Fremdfrauen.« Marianne hielt nichts von Flüstern im Zustand großer Erregung.
»Es ist doch alles ganz harmlos … sie wollte nur sticken lernen und …«
»Sticken lernen? Etwas Alberneres fällt dir nicht ein?« Marianne durchbohrte ihn mit dem bösen Blick, schnappte sich ihren türkisfarbenen Vintage-Alcantara-Mantel und lief durch die Glastüren hinaus.
»Die kommt wieder«, rief tröstend eine der Filztanten vom Fußende der Wendeltreppe.
Seifferheld fluchte und humpelte zum Tisch mit dem Weißwein zurück. Er hatte das Gefühl, dass sich sein Leben immer mehr in eine Bob-Bahn verwandelte und es für ihn in rasantem Tempo bergab ging. Aber immerhin hatte er jetzt erfahren, dass es eine Testamentsänderung gab.
Konzi hatte unterdessen zwei alte Männer eingekesselt und redete auf sie ein. Es handelte sich um ehemalige Lehrer des Gymnasiums St. Michael, die man bei Ausstellungseröffnungen immer sah – wie so viele andere Ex-Lehrer. Die beiden Männer kauften aber nie etwas. Konzi wollte das anscheinend ändern. Und offenbar hatte Konzi keine Ahnung von der Testamentsänderung, sonst würde er doch nicht so fröhlich sein, oder?
Es war Seifferheld egal. Was ging es ihn an. Dann hatte Konzi vielleicht seinen Bruder umsonst aus dem Weg geräumt, weil er auf ein Erbe spekulierte, das nicht kam. Na und? Seifferheld kippte den Weißwein auf ex und ließ sich nachschenken.
»Sie haben also ein Bild erstanden? Mutig!« Ein Mann im Fischgrätanzug stellte sich neben ihn. »Darf ich mich vorstellen? Müllerschön. Ich bin der Familienanwalt der von Bellingens.«
Seifferheld nickte ihm zu. »Ja … äh … ich liebe Kunst.«
»Ach, das können Sie Ihrer Großtante Brigitte erzählen.« Müllerschön nahm einen Schluck Wein. »Sie ermitteln in der Mordsache. Ihr Ruf eilt Ihnen wie Donnerhall voraus – Sie können das Ermitteln einfach nicht lassen.« Der Anwalt zwinkerte ihm zu.
Seifferheld widersprach nicht. Er ließ den Mann reden.
»Ich habe Konstantin von Bellingen zur Insolvenz geraten, aber er wollte ja nicht hören.«
»Ach nein?«
»Nein. Er sagte, er würde das fehlende Geld von seinem Bruder bekommen, so oder so.« Müllerschön sah ihn bedeutungsvoll an und betonte das
so oder so
besonders dezidiert. »Tja, wie immer er das gemeint hat, funktioniert hat es nicht. Seine Konten sind leer, und das Erbe geht an die Gattin.«
»Der Pflichtteil genügt nicht, um seine Schulden zu begleichen?«, wollte Seifferheld wissen.
»Ach was, nie und nimmer. Und so eine Erbauszahlung dauert ja auch ihre Zeit.« Müllerschön nahm das vorletzte Häppchen vom Tablett.
Wer sich hier nicht ranhielt, schaute in die Röhre. Ehemalige Lehrer waren schnelle Esser.
Seifferheld fragte nicht, warum Müllerschön ihm das erzählte. Er nahm es einfach hin. »Sie mögen ihn nicht sonderlich, oder?«
»Zeigen Sie mir einen Menschen – nur einen! –, der die Bellingen-Sippe mag. Die mögen sich nicht einmal untereinander. Oder sehen Sie hier irgendwo seine Schwägerin Sissi?«
Seifferheld sah sich um. Nein, offenbar gab sich Sissi ganz ihrer Trauer hin. Oder sie schwelgte in ihrem frisch erblühten Hass auf ihre beste Freundin.
Doch da sah er, wie der etwas zu elegante Mittvierziger, der vorhin bei den Eröffnungsreden in der Reihe direkt vor ihm gesessen hatte, draußen vor den Glastüren zum Museum seiner Nichte Karina beinahe ins
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