Nadel, Faden, Hackebeil
Unterseite
Karina
stand, was er aber nicht sehen konnte, geöffnet und schnupperte hinein, dann nahm er einen Löffel und probierte.
»Die haben ihre Menüs schon perfekt drauf!«, jammerte Eduard. »Und wir hatten noch nicht einmal einen ersten Durchlauf.«
Schlimmer, dachte Seifferheld, einige von uns wissen noch nicht einmal, was genau sie kochen wollten. Er zum Beispiel.
»Bäh, rote Bete«, rief Klaus und spuckte den Bissen, den er im Mund hatte, wieder in die Tupperdose, die er daraufhin verschloss und zurück in den Kühlschrank stellte.
»Ich kann nicht mit Fisch«, erklärte Gotthelf. »Ich hab’s ehrlich versucht. Aber die Fische von Teschmit liegen jetzt bei mir daheim und schauen mich aus ihren toten Augen an und … Ich kann nicht! Ich muss auch dauernd an den armen Bocuse mit seiner Fischvergiftung denken.«
Alle schwiegen betroffen. Ob er überhaupt noch lebte? Falls er starb, würde dann jemand daran denken, seinen Schülern vom Kochkurs Bescheid zu geben?
»Dann kauf eben Fischfilets und keine ganzen Tiere«, meinte Schmälzle nach der Schweigeminute gnadenlos.
»Schaut euch diese Fotos an, das sind Profis«, jammerte Eduard. »Profiamateure. Was die da zaubern, kann locker in jedem Vier-Sterne-Lokal serviert werden, ohne dass einer den Unterschied merkt! Wir werden gnadenlos abstinken. Gnadenlos!«
»Wir müssen ja nicht gewinnen«, wiegelte Seifferheld ab. »Dabei sein ist alles.«
»Ihr habt gut reden, euch kennt ja keiner. Aber ich bin ein bekannter Autor. Die Presse wird mich genüsslich auseinandernehmen und auf dem Altar der spitzzüngigen Bonmots opfern!« Schmälzle wischte sich den Angstschweiß von der Stirn.
»Jetzt ist aber gut. Sind wir Männer oder Mäuse? Wir stehen das durch, und zwar wie
ein
Mann!« Seifferheld erhob sich. Im Film hätte jetzt die Motivationsmusik eingesetzt. Irgendwas mit Streichern und Bläsern. »Wir lassen Bocuse nicht hängen. Wir fahren dahin und kochen uns die Seele aus dem Leib. Und wenn andere das nicht zu schätzen wissen, ist das auch egal. Wir tun das nicht für den ersten Platz. Wir tun das nicht für Ruhm und Ehre. Wir tun das für die Freundschaft. Es ist eine Frage der Ehre!«
Aus dem Polizeibericht
Mitleid mit einem Mountainbike
Eine 42 -jährige Frau hat am Dienstagabend ein Mountainbike im Wert von 800 Euro gestohlen. Das ungesicherte Fahrrad lehnte am Weilertor, der Besitzer wollte nur kurz einen Tisch in der daneben befindlichen Weinstube reservieren. Die Frau erklärte, das Fahrrad habe vernachlässigt und herrenlos gewirkt, und darum habe sie es mit in ihren Keller genommen, damit es bei dem einsetzenden Nieselregen »nicht elendig verrottet«. Dabei wurde sie beobachtet. Da sie bereits wegen diverser Eigentumsdelikte vorbestraft ist, wurde Anzeige erstattet.
14 : 14 Uhr
Heidewitzka – und mit Schwung hinein in die Verbrecherlaufbahn!
Sie saßen zu dritt in dem Kleinwagen, dessen Kennzeichen mit Matsch unkenntlich gemacht worden war. Alle stierten geradeaus, während der Wagen sich mühsam die Steigung der B 14 zwischen Michelfeld und Bubenorbis hochquälte. Drei Vermummte – zu allem entschlossen. Ein Mann, der Liebhaber seiner Tochter und sein Hund.
»Sind die Strumpfmasken wirklich nötig?«, fragte Olaf. Er gab in dieser Runde den Bedenkenträger.
»Kolb hat bestimmt Kameraüberwachung. Wir parken zwar ein gutes Stück von seinem Wochenendhaus entfernt, aber man kann ja nie wissen.«
Seifferheld hatte kurzerhand Olaf unter dem Vorwand, eine Notmassage zu benötigen, zu sich gerufen und ihn dann als Fluchtfahrer zwangsverpflichtet. Er wollte in Erfahrung bringen, wie sich ein Arzt im Anstellungsverhältnis solch teuren Schmuck leisten konnte. Hatte er Lambert von Bellingen erpresst? Doch womit? Dass Lambert gern aushäusig schlief, war Allgemeinwissen und eignete sich nicht als Druckmittel. Außerdem galt Untreue mittlerweile gesellschaftlich als Kavaliersdelikt. Was konnte es sonst sein? Dass seine Angetraute ein wandelndes Ersatzteillager war, sprach eher für ihn: Nur wahrhaft erfolgreiche Männer können sich rundumsanierte Frauen leisten. Und von Lambert von Bellingens Fehltritten auf der politischen Bühne konnte Kolb ja eigentlich nichts wissen, oder doch?
Seifferheld hatte Kolb gegoogelt – er stammte nicht aus reichem Haus und hatte auch keine einträgliche Privatpraxis nebenher laufen. Aus einem Interview anlässlich seiner Einstellung im Diakoniekrankenhaus Schwäbisch Hall ging hervor, dass
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