Nadel, Faden, Hackebeil
offen zur Schau stellten. Zumindest nicht diese Art von Gefühl, die mit wahren Wasserfluten einherging. Und schon gar nicht vor anderen Menschen.
»Die Liebe, die reißt uns alle in Stücke!«, erklärte Schmälzle, der sich neben Pfarrer Hölderlein materialisierte. »Die Tür war offen«, sagte er zu Seifferheld. »Ich weiß, wie Ihnen zumute ist, junger Mann«, sagte er zu Olaf. »Sie brauchen einen Birnenschnaps!« Schmälzle zog eine halbvolle Flasche aus der Tasche seiner Wanderjacke. »Das Beste unserer schwäbischen Streuobstwiesenlandschaften! Wo sind hier die Gläser?«
Pfarrer Hölderlein reichte Olaf die Hand. »Wie schlimm es auch sein mag, es gibt immer einen Ausweg. Geben Sie mir Ihre Hand, junger Mann. Gemeinsam schaffen wir es!« Neben Pfarrer Hölderleins permanenter positiver Dynamik kam sich Olaf auf einmal noch ausgelutschter vor.
»Hier, trinken!« Schmälzle reichte Olaf ein halbvolles Saftglas mit Birnenschnaps. Damit Olaf nicht allein trinken musste, leerte Schmälzle auch gleich eins.
Seifferheld setzte sich an den Küchentisch. Ehrlich gesagt, hatte er sich auch schon gefragt, warum Susanne sang- und klanglos verschwunden war. Sie schickte regelmäßig Lebenszeichen per SMS , so dass er sich nicht wirklich Sorgen um ihr Wohl machte, aber es war so untypisch für sie. Sonst war in ihrem Leben alles geplant und durchstrukturiert. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser gutherzige, im Moment Rotz und Wasser heulende Junge seiner Tochter etwas Schlimmes angetan haben könnte. Lag es an ihr? Hatte sie womöglich eine neue Liebe gefunden? Irgendeinen Bausparkassenmanager?
Von Olafs Dauerschluchzen wurde er aus seinen Überlegungen gerissen.
»Wisst ihr, dass die Haustür sperrangelweit aufsteht?« Klaus trat in die Küche. »Was hat denn der mutterlose Heuler da? Weltschmerz? Zahnschmerz? Liebeskummer?« Er ging zum Kühlschrank und nahm sich eine Dose Cola heraus.
»Trink mit, Klaus. Schnaps ist gesünder als Zuckerwasser.« Schmälzle stellte Klaus ein Glas auf den Tisch und kippte eine ordentliche Menge Birnenschnaps hinein. Klaus zögerte nur kurz, trank dann erst die Cola auf ex und schließlich das Schnapsglas.
»Herr Pfarrer?«, fragte Schmälzle.
Hölderlein sah zu Irmi. »Aber nur einen winzigen Schluck.«
Olaf trank, heulte, trank und hielt Schmälzle sein Glas zum Nachfüllen hin.
»Für mich auch!«, verlangte Seifferheld, der nicht als einziger Mann auf dem Trockenen sitzen wollte. Alle drehten sich zu ihm um. »Was ist? Schwere Situationen erfordern schnapshaltige Maßnahmen. Alte Schwabenweisheit!«
Olaf heulte noch lauter.
Irmi nahm Olaf das volle Glas aus der Hand. »Keine Flüssigkeit nachkippen, dann heult man sich schneller trocken«, erklärte sie und zog Olaf mit Schwung auf die Beine.
Klaus schnappte sich Olafs Schnapsglas und leerte es in einem Zug.
Onis nahm seinen rosa Teddy wieder ins Maul und lief eine Runde von Zweibeiner zu Zweibeiner. Telepathisch ließ er sie wissen: »Dieser Teddy ist ein Symbol der Hoffnung: Auch wenn die Liebe deines Lebens einmal verschwunden sein sollte, kann sie doch jederzeit zurückkommen.«
Fela kam in die Küche gestürmt. »Wieso steht denn die Haustür offen? In dieser Stadt laufen Mörder und Einbrecher frei herum!« Er sah sich um. »Wo sind Karina und Mozes? Ich schicke Karina seit Stunden eine SMS nach der anderen, aber sie meldet sich nicht. Oben in ihren Zimmern sind sie nicht. Wo
sind
die beiden?« Fela stemmte die Hände in die Hüften und sah sich auffordernd um.
»Ich bin sicher, alles wird sich aufklären«, sagte Pfarrer Hölderlein, und es klang nur deshalb nicht banal, weil er sich dessen tatsächlich absolut sicher war. Sein Gottvertrauen war grenzenlos.
»Susanne! Ich vermisse meine Susanne!«, schrie Olaf gequält auf, nahm Schmälzle die Birnenschnapsflasche aus der Hand und trank in großen Schlucken direkt aus der Quelle.
»Wenn meinem Bruder etwas passiert sein sollte!«, drohte Fela.
Schmälzle zauberte eine weitere Flasche Schnaps hervor und goss Fela ein. »Nicht aufregen«, riet er.
Fela trank in großen Schlucken. Ihm schwante, dass sich in sein Paradies mit Karina eine Schlange geschlichen hatte, und diese Schlange hieß Viehoff. Verbitterung stieg in ihm auf. Er hielt Schmälzle sein Glas erneut hin.
»Karina ist ein durch und durch unreifes Früchtchen!«, erklärte Irmi.
»Jetzt bist du aber zu streng«, meinte Seifferheld.
Hicks, machte Olaf.
»Karina
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