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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Mozes in die Tierhäuser, die für die Masse Mensch nicht so fesselnd schien.
    »Bist du traurig?«, fragte Mozes plötzlich, der ein Wildfang war, aber ein feines Näschen für die Gefühlslage seiner Mitmenschen besaß.
    Karina sah ihn an. Man konnte sich doch unmöglich einem Zehnjährigen anvertrauen, oder?
    »Weißt du, ich hab’ was Blödes gemacht, was auch überhaupt kein bisschen so lustig war, wie ich mir das gedacht habe, und wenn dein Bruder Fela davon erfährt, wird er ziemlich doll traurig sein.«
    Mit Blödheiten kannte Mozes sich aus. Die beging er zur Genüge. Und dabei hatte er eines gelernt: »Fela muss es ja nicht erfahren. Sag’s ihm einfach nicht.«
    »Aber ich habe die Dummheit nicht allein begangen, und es könnte sein, dass jemand anderes es ausplaudert.«
    »Hm, dann musst du mit diesem jemand anderes einen Deal machen«, erklärte Mozes mit gewichtiger Stimme. »Hast du etwas gegen den jemand anderes in der Hand?«
    Karina sah Mozes bewundernd an. Kindermund tat Wahrheit kund. Und dann ging sie kurz in sich. »Weißt du, es gibt tatsächlich etwas, das dieser jemand anderes für sich behalten will.«
    »Na also.« Mozes lief davon und wuselte im Kreis um die Palme vor der Papageienvoliere. Für ihn war die Sache damit erledigt. Das Leben war doch so einfach!
    Karina griff zu ihrem Handy. Er meldete sich sofort.
    »Du, es war nett mit dir, aber ich will dich nie wiedersehen … Nein,
nie!
… Ach Quatsch, das geht dir überhaupt nicht nahe, es kränkt dich nur in deiner Eitelkeit, dass ich Schluss mache und nicht du … Hör zu, ich bin mit Fela zusammen, und ich will, dass das so bleibt. Wage es ja nicht, irgendjemand von uns zu erzählen, sonst könnte mir im Gespräch mit Dritten – gern auch in der UnverzichtBar, wenn volles Haus ist – durchaus herausrutschen, dass du knallrote Stringtangas trägst, dass du nach dem Sex heulst wie ein Baby und dass du dir einen süßen Delphin auf die Pobacke hast tätowieren lassen … Als ob es irgendjemand interessiert, dass du dir den nur für deine Ex hast stechen lassen! Ein Bulle mit einem keckernden Fisch auf dem Po, du wirst doch zur Lachnummer … Ich war noch nicht fertig: Deine Kollegen wird doch vor allem interessieren, dass du nur einen Hodensack hast: Ein-Ei-Viehoff, wie klingt das? … Nein, das ist keine leere Drohung … Fein, ich sehe, wir haben uns verstanden … Dann noch ein schönes Leben.«
    Sie steckte ihr Handy weg und holte tief Luft. Na also, war doch ganz einfach. Allerdings sollte sie sich von nun an besser keine Gesetzesverstöße mehr zuschulden kommen lassen. Künftig würde Polizeiobermeister Viehoff kein Auge mehr zudrücken. Im Gegenteil.
    »Alles wieder gut?«, fragte Mozes, dem vom vielen Im-Kreis-Rennen ein wenig schwindelig war.
    »Alles wieder gut. Komm, ich habe vorhin gesehen, dass heute Tierbegegnungen angeboten werden. Du darfst im Insektarium eine Vogelspinne anfassen.«
    »Boar, sind Vogelspinnen die mit den Haaren?«
    Karina nickte.
    »Super!« Mozes schoss pfeilschnell in die Menge. Karina lief hinterher, fing ihn ein und führte ihn an der Hand zum Insektarium. Eigentlich musste man sich für diese Tierbegegnungen anmelden, aber Karina und Mozes gehörten zu der Sorte von Sonntagsmenschen, die mehr Glück als Verstand haben, und weil gerade eine Kleingruppe abgesagt hatte, durften sie einspringen.
    Karina hatte gar nicht gewusst, wie viele verschiedene Vogelspinnen es gab.
    Im Insektarium herrschte drückende Schwüle. Karina bekam kaum Luft.
    Mozes kannte dagegen vor Begeisterung kein Halten mehr. »Ich will auch Spinnenmann werden, wenn ich groß bin!«, strahlte er den Revierleiter an, der höchstpersönlich die Begegnung überwachte.
    »Ich wette, du wärst genau richtig dafür. Hier, willst du dieses T-Shirt haben?« Es war ein Wilhelma-Shirt mit einer Spinne darauf. Mozes würde noch mindestens fünf Jahre brauchen, bis er hineingewachsen war, aber das störte ihn nicht. Er streifte es sofort über und war glücklich, obwohl es ihm bis über die Knie reichte. »Geil!«
    »Für Sie auch ein T-Shirt?«, wandte sich der Revierführer an Karina. »Die sind im Preis inbegriffen.«
    Karina wollte nicken – wenn’s nichts kostete, nahm man es natürlich mit, da war sie ganz Schwäbin –, aber plötzlich drehte sich alles um sie und verschwand in einem Nebel.
    Gleich darauf lag Karina ohnmächtig auf dem Boden des Insektariums. Vor Schreck ließ Mozes die Vogelspinne fallen, die er gerade

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