Nadel, Faden, Hackebeil
ist kein u-u-unreifes Früchtchen!«, lallte Fela, der sonst nie trank und dem der Schnaps ohne Umwege zu Kopf und in die Stimmbänder stieg.
»Ach, ich bitte Sie, Fela. Karina ist es doch nicht ernst mit Ihnen!«, wetterte Irmgard.
»Irmi!«, mahnte Seifferheld. Seine Nase begann zu pochen.
Aber es war gar nicht seine Nase. Wie sich herausstellte, pochte jemand mit der Faust gegen die Küchentür, um auf sich aufmerksam zu machen. Es waren Herrmann und Marcella Seifferheld.
Karinas Eltern.
16 : 30 Uhr
Me transmitte sursum, Caledonius!
Beam me up, Scotty!
Das war einer dieser Momente, in denen man am liebsten im Erdboden versunken wäre. Oder sich mittels moderner Science-Fiction-Technologie an einen besseren Ort beamen lassen möchte.
Siggi Seifferheld war zwar der Jüngste der drei Geschwister, aber der Zeitpunkt war gekommen, da jemand das Steuerruder in die Hand nehmen musste. Jemand, dessen Nase gleich explodieren würde, wenn er es nicht tat.
»Herrmann, Marcella – wie schön, euch zu sehen. Setzt euch doch bitte. Irmi, die beiden möchten sicher eine Tasse Kaffee.«
Die beiden wussten um die fatale Konsistenz von Irmis Kaffee. Herrmann schüttelte den Kopf, Marcella erbleichte, aber Irmi bekam das nicht mit und werkelte hausfrauenpflichtschuldigst an der Küchentheke herum.
»Olaf, Susanne braucht einfach Zeit für sich, das muss mit Ihnen absolut nichts zu tun haben. Legen Sie sich eine halbe Stunde aufs Ohr, dann gibt es Abendessen. Danach wird es Ihnen gleich viel bessergehen.«
Olaf schluckte schwer.
»Fela, bringen Sie ihn doch hoch«, bat Seifferheld. Mochten die beiden Männer im ersten Stock ruhig gemeinsam über die Frauen in ihrem Leben heulen, Hauptsache, sie verschwanden aus der Küche.
»Herr Pfarrer?«, sagte Seifferheld auffordernd und sah zu Hölderlein.
»Ja, ich muss dann auch los. Um sechs ist Andacht in der Katharinenkirche.« Hölderlein trat auf Irmi zu, stockte und schüttelte ihr dann unbeholfen die Hand. »Frau Seifferheld.«
»Herr Pfarrer.« Irmi wurde rot.
Seifferheld schüttelte den Kopf. Noch deutlicher konnten sie ja gar nicht zeigen, dass zwischen ihnen etwas lief. Aber die anderen waren mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und merkten nichts.
Schwankend zogen Olaf und Fela ab. Hölderlein verließ aufrecht und strahlend die Küche.
Klaus und Schmälzle setzten sich an den Küchentisch zu Karinas Eltern.
»Jungs?«, sagte Seifferheld auffordernd zu Klaus und Schmälzle.
»Wegen morgen …«, fingen sie unisono an.
»Da gibt’s nichts zu reden. Macht euch vom Acker.« Seifferheld war erstaunlich rasch in seine Rolle als Kochlöffeldiktator hineingewachsen.
»Aber …«, muckte Schmälzle auf.
Seifferheld guckte nur streng.
Klaus und Schmälzle zogen ab.
»Also …«, fing Seifferheld an. »Karina ist mit Mozes unterwegs. Und Mozes ist der Bruder von Fela. Und Fela ist …« Er geriet ins Stocken. Eigentlich war es nicht seine Aufgabe, Karinas Eltern von ihrem Lover zu erzählen.
»Sag mal, die beiden sind doch schon seit heute früh um sieben weg«, warf Irmgard ein. Rettend. »Hat sie dir gesagt, wohin sie wollten?«
Seifferheld schüttelte den Kopf.
Marcella verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihren Schwager vorwurfsvoll an. »Karina ist seit zehn Stunden verschwunden?«
»Sie ist ja ein großes Mädchen«, meinte Seifferheld.
»Aber dennoch ein Mädchen!« Marcella klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch. Onis schreckte zusammen. Herrmann nicht, der war das gewohnt. »Und was gedenkt ihr jetzt zu tun?«
Seifferheld sah zu Irmi, aber die wusste schon, warum sie so geschäftig Kaffee aufbrühte.
Und da war noch etwas.
Irmi und Siggi hatten es Herrmann und Marcella nicht gesagt.
Nicht das mit Fela. Das mit Karina.
Karina, einzige Tochter von Herrmann und Marcella, war als zartes, unschuldiges, bezopftes Geschöpf ins Seifferheldsche Haus gekommen. Sie hatte an jenem Tag einen Schottenrock und weiße Kniestrümpfe getragen, Seifferheld wusste es noch ganz genau.
Aber in der Zwischenzeit glaubte er nicht mehr, dass Karina jemals brav und unschuldig gewesen war. Sie war nicht Marcellas Baby, sie war Rosemarys Baby. Und schon längst kein Baby mehr, sondern eine ausgewachsene Plage, die Transparentkleidung trug und sich nackt an Kirchenstufen kettete. Bestimmt war ihr nichts zugestoßen. Sie hatte nur einfach beim Gassigehen mit Mozes wieder irgendeine gute Sache entdeckt, für die sie sich ausziehen und anketten
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