Nadel, Faden, Hackebeil
bemalten Arme aus und goss ihm Tee ein, wobei die Kette aus Tempelglöckchen um ihren Hals bimmelte.
Wie konnte ein solches Blumenmädchen das Interesse des erfolgsverwöhnten, klassisch-eleganten Arnfried Kolb wecken? Schlug da das Sprichwort »Gegensätze ziehen sich an« voll zu?
Seifferheld nahm einen Schluck von dem Kräutertee, der ihm prompt wieder hochkam. Er schmeckte extrem nach Heu. Mit einem Hauch Kuhdung im Abgang. Im Grunde untrinkbar.
»Das tut gut, nicht wahr?«, freute sich Ulla Zeeb.
Onis tat, was er immer tat, und legte ihr – die im Schneidersitz auf dem Sofa saß – den Kopf in den Schoß. Ein Schoß, der voller Farbkleckse war.
Jetzt erst fielen Seifferheld die Pinsel und Aquarell- und Acrylfarben im Raum auf, die pastellfarbenen Kleckse auf Ulla Zeebs Händen. Sie folgte seinem Blick.
»Ich bin Malerin.« Sie strahlte ihn an. »Und ich erinnere mich an Sie von der Vernissage im HFM . Sie sind Sammler!«
Seifferheld lächelte unverbindlich. Darum hatte sie ihn also ins Haus gelassen, sie glaubte, er wolle ein Bild von ihr erwerben. Die schrecklich bunten Engel- und Feenbilder an den Wänden waren dann wohl ihre Machwerke. Seifferheld seufzte. Aber wenn er etwas konnte, dann zugreifen, sobald ihm das Schicksal eine Chance bot.
»Ich wollte Sie näher kennenlernen«, deutete er an.
Was er nicht hätte tun sollen. Eine halbe Stunde lang erzählte sie ihm ihre Bikiniwaxinghorrorgeschichten, zeigte ihm die Stelle, an die ihre nächste Tätowierung hinkommen sollte, und ließ sich über wüste One-Night-Stands aus. Letzteres erwies sich als guter Aufhänger.
»Sie sind doch gerade mit Dr.Kolb zusammen, nicht wahr?«, hakte er ein, als sie kurz Luft holen musste.
»Ah, Sie haben heute das Foto im
Haller Tagblatt
gesehen.« Sie zog die aufgeschlagene Zeitung unter dem Sofa hervor. Eine Staubmaus rieselte herunter. »Ja, das auf dem Foto bin ich mit Arni beim jährlichen Sparkassenball. Das bin gar nicht wirklich ich. Arni hat mich zur Rundumverschönerung geschickt und mir auch noch ein Kleid gekauft, weil er mich zu hippiehaft fand.« Ulla Zeeb zuckte mit den Schultern.
»Bitte entschuldigen Sie, wenn ich so keck frage, aber ich war ja Kommissar und habe von meinen Ex-Kollegen gehört, dass Sie Dr.Kolb das Alibi für die Tatzeiten an den beiden Morden hier in Hall liefern konnten.«
Ulla Zeeb nickte, und dabei wippten ihre roten Löckchen. Auf ihre blumenkindhafte Art war sie wirklich zum Anbeißen. Sommersprossennase. Vielleicht hatte sich Kolb ja wirklich in sie verliebt. Seifferheld verabschiedete sich von seinem Lieblingsverdächtigen. Dann also noch mal auf Anfang und neue Verdächtige suchen. Oder das Schnüffeln ganz lassen und wieder mehr sticken. War ohnehin gesünder. Auch nasentechnisch.
»Aber im Grunde will das nichts heißen.« Sie legte ihre Stirn in Falten.
»Wie bitte?«
»Na, er hat mich ganz überraschend angerufen – wir sehen uns sonst nie zwischen Freitag und Sonntag –, und wir hatten auch einen schönen Champagnerabend, und ich habe der Polizei gesagt, dass wir die ganze Nacht zusammen waren. Aber ehrlich gesagt, schlafe ich nach dem Sex immer gleich ein, und in dieser Nacht bin ich so richtig weggeratzt. Im Grunde habe ich gar nichts mitbekommen. Als hätte er mir K.-o.-Tropfen in den Veuve Cliquot gekippt.«
Seifferhelds Augenbrauen schossen nach oben.
»K.-o.-Tropfen – köstlicher Gedanke!« Ulla Zeeb amüsierte sich prächtig.
Für Seifferheld aber schoss Dr.Arnfried Kolb raketengleich wieder auf Platz 1 der Verdächtigen.
»Und?«, wechselte sie das Thema. »Welches Bild von mir wollen Sie denn nun kaufen?«
14 : 21 Uhr
Der missverstandene Mann – eine Tragödie in unendlichen Akten
»Siggi, bist du da drin? Ich bin gekommen, um dir alles Gute zu wünschen!«
Die Stimme klang verrucht.
Träumte oder wachte er?
Seifferheld hatte nach einem leichten Mittagessen zwei Schmerztabletten geschluckt, den Wecker gestellt und sich noch für eine Stunde ins Bett gelegt, damit er heute Abend beim Wettkochen auch wirklich fit war.
Und nun hörte er die Stimme der Frau, die er liebte.
Er öffnete ein verklebtes Auge. Und sah sich einem kanariengelben Engel mit riesigen eidottergelben Flügeln gegenüber, der auf einem sonnengelben Einhorn ritt. Zu viel Gelb. Es war das Bild, das er Ulla Zeeb hatte abkaufen müssen, um nicht verdächtig zu wirken. Es war nicht besonders teuer gewesen, aber Seifferheld reute jeder Cent.
Die Tür zu seinem
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