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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Stimme im Ohr
, ich bin lange wach
. Ich konnte es nicht erwarten, sie zu sehen.
    Robert schien es zu riechen. Er fasste mich am Arm, sah mich mit seinen verschatteten Augen seltsam an, unglücklich und selbstbewusst
     zugleich.
    Komm schon, sagte er, halb bittend, halb befehlend.
     
    |55| Früher hätte es mir geschmeichelt, dass er mich fragte. Er hatte schon immer so eine geschickte Art gehabt, einen von uns
     allein ins Vertrauen zu ziehen.
    Na gut, sagte ich, lass uns auf dem Weg was trinken.
     
    Ich habe Robert nie Nein sagen können. Ich hatte es bis dahin auch nie gewollt. Ich habe mit ihm die besten Gespräche geführt,
     und mit ihm zu schweigen war exquisit. Ich fühlte mich
besonders
mit ihm, und ausgezeichnet, wenn er seine Leidenschaft für technische Dinge mit mir teilte, vor allem aber für Filme. Wir
     hatten viele lange Nächte nebeneinander im Dunkeln sitzend verbracht, wenn mehrere Filme eines Regisseurs hintereinander gezeigt
     wurden, Bertolucci, Pasolini, Visconti. Robert kannte sämtliche Programmkinos der Stadt; staubig riechende Vorführsäle mit
     abgewetzten Teppichböden und einem ganz eigenen Publikum. Er interessierte sich für tschechische, ungarische und sowjetische
     Filme; er las Bücher darüber und wusste über die politischen Hintergründe Bescheid. Meistens nahm er nur mich mit. Du bist
     der Intelligenteste, sagte er, mit dir zu reden, bringt mir was. Und er nickte auf seine unnachahmliche Weise, mit dem vieldeutigen,
     sparsamen Lächeln.
    Er hatte ausgeprägte Auffassungen von allem, eine gewisse Brutalität in seiner Weltsicht, die er
knallharten Realismus
nannte, der ich mit meiner Verliebtheit in die Vernunft und die Entwicklungsfähigkeit des Menschen ratlos begegnete und die
     sich mit seiner eigentümlichen Sanftheit seltsam mischte. Seine Hände waren klein und zierlich, und er hatte eine zärtliche
     Art, Sachen anzufassen.
    Wir alle, Harro, Oliver, die andern Jungs und ich, waren völlig überrascht und regelrecht eifersüchtig gewesen, als Robert
     im zweiten oder dritten Semester mit Mirko zusammenzog und nicht mit einem von uns. Mirko kam aus Bochum und fuhr Motorrad;
     seine abgenutzte Lederjacke trug er drinnen wie draußen. Er studierte Mathematik.
     
    |56| Überrascht horchte Robert auf, als ich jetzt meine Atelierbesuche mit Eva erwähnte. Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge
     gebissen. Einerseits wollte ich gar nichts von Evas und meinem Leben verraten, und andererseits kam es mir irgendwie aufgesetzt
     vor, von mir als einem Besucher von Künstlerateliers zu erzählen. Eva hätte bestimmt den Kopf darüber geschüttelt, ich meine
     über das
Aufgesetzte
; sie hatte mir in der ganzen Zeit kein einziges Mal zu verstehen gegeben, dass sie mich in dieser Umgebung fehl am Platz
     fand; ich selber fühlte mich aber oft so. Dann wieder war es mir egal. Ich verließ mich darauf, wie sie in den Dingen dachte,
     die die Liebe betrafen.
     
    Die Kneipe, in die Robert mich zog, kannte ich nicht; sie roch nach Haschisch, die Musik war laut und schnell. Einige Typen
     sahen Robert interessiert an. Ich rauchte nervös eine Zigarette nach der anderen, hin und her gerissen zwischen der sonderbaren
     Stimmung, die von ihm ausging, und meinem Wunsch, zu Eva zu fahren. Robert sprach so, als hätte er den ganzen Abend darauf
     gewartet, mit mir allein zu sein, zugleich aber tastend und zurückhaltend. Er behielt mich dabei genau im Auge. Als traute
     er sich nicht, oder als wollte er mich testen. Ich war mir nicht sicher.
    Er war mit Mirko gut ausgekommen. Sie hatten sich alles geteilt, ohne große Scherereien. Die Miete, das Einkaufen, Aufräumen,
     Kohlenholen. Sie hatten oft bis in die Nacht hinein miteinander gesprochen und Musik gehört. Mirko hatte eine Freundin, Nora.
     Sie hatten oft zu dritt zusammen gekocht und geredet.
    Nach einiger Zeit war Nora mit in die Wohnung gezogen.
    Ich hab was mit ihr angefangen, sagte Robert.
    Au Scheiße, sagte ich.
    Es ist so gut wie vorbei, sagte Robert.
    Und Mirko?
    Ich weiß nicht, sagte Robert langsam, ich denke, es hat ihm gefallen.
    |57| Und er sah mich schief lächelnd von unten an, wissend, überlegen, lauernd, alles auf einmal. Dann dehnte und streckte er sich
     auf seinem Stuhl und genoss ganz offensichtlich meinen schockierten Blick.
    Ich glaube, in diesem Moment hatte ich zum ersten Mal Angst davor, dass er Eva kennenlernte.
    Pass auf, murmelte ich, pass auf.

5
    Nach diesem Treffen rief Robert häufiger an. Wenn ich

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