Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
Vom Netzwerk:
bei Eva oder an der Uni war, hinterließ er eine Nachricht bei Opa.
    Mirko und Nora waren nach Jugoslawien gefahren, wo Mirko entfernte Verwandte hatte. Robert erzählte nur knapp den Stand der
     Dinge, dann sprach er über unsere üblichen Themen, Bücher, Platten, Filme. Er fragte, ob wir nicht zusammen ins Kino gehen
     wollten, zusammen mit Eva. Es wäre ihm peinlich, wenn aus ihrem Kennenlernen so eine große Sache gemacht würde.
    Ich stutzte etwas. Ich fragte Eva.
    Och nö, sagte Eva, keine Lust.
     
    Der Frühling kam...
    ... und Beuys pinkelte überallhin. Eva packte ihn am Nacken, schimpfte ihn aus und trug ihn in sein Katzenklo in der Küche.
     Sie legte Zeitungspapier im ganzen Zimmer aus, wenn sie das Haus verließ. Wenn er beim Sex aufs Bett sprang, um zuzusehen,
     schubste ich ihn herunter, aber so, dass Eva es nicht mitbekam.
    Nach einer Weile war das Tier so nett, nicht mehr jede Nacht in unser Bett zu kommen.
    Meine Eifersuchtsfantasien und der Wunsch, sie Eva mitzuteilen, |58| beruhigten sich. Sie war vergnügt und ich war glücklich.
    Die Tage wurden länger; die Mauern luden sich mit Wärme auf; wir saßen auf Evas winzigem Balkon und tranken Tee mit dem Blick
     auf ihren Himmel. Oder wir verabredeten uns in einem Biergarten an der Spree, bei ihr in der Nähe, und ich lernte den Wedding
     von einer anderen Seite kennen. Eva war der einzige Mensch, der es schaffte, mich zur Gegenwart zu verführen.
     
    Hin und wieder kam sie sonntags mit zu Opa. Opa hatte am Wochenende schon immer für sich und mich gekocht; ich wollte ihm
     diese liebe Angewohnheit nicht nehmen, zumal er jetzt nicht mehr allzu viel von mir hatte. Ich bemerkte, dass er sich manchmal
     schwach fühlte, dass er im Sessel neben der Stehlampe über seinem Maigret oder Clausewitz einnickte, was er allerdings nie
     zugegeben hätte. Er war wie die meisten in seiner Generation darauf bedacht, niemandem zur Last zu fallen.
    Einmal, als ich abends zu Hause war und ihm in der Bibliothek bei seinem Sherry-Ritual Gesellschaft leistete, fragte ich ihn
     nach meinen Eltern. Ich hatte so wenig Erinnerungen an sie, und daran, wie sie miteinander umgegangen waren.
    Deine Mutter war ein Floh und dein Vater liebte Flöhe, entfuhr es Opa.
    Bitte? fragte ich entgeistert. So salopp sprach er sonst nie. Wir sprachen ohnehin nicht allzu oft von ihnen. Wir waren so
     lange zusammen traurig gewesen, dass wir es irgendwann vermieden, uns an unseren Schmerz zu erinnern.
    Man soll sich die Liebesbeziehung der eigenen Eltern anschauen, hatte ich irgendwo gelesen, um zu begreifen, wie man selbst
     es damit hält. Nur was ist, wenn man sich gar nicht erinnern kann? Wenn man kein
Modell
vor Augen hat?
    Ich glaube, deine Eltern waren ein glückliches Paar, korrigierte Opa sich.
    |59| Und dann wollte er über andere Dinge sprechen, er wollte wissen, wie es mit meinen diversen Seminaren und Scheinen stand.
    Das Mädchen bekommt dir besser, als ich dachte, sagte er, aber du solltest die Uni nicht vernachlässigen.
    Mehr gab es nicht zu sagen; er sah mich nur etwas besorgt an, als wollte er in Zweifel ziehen, was ich vergaß, weil ich es
     vergessen wollte: Wie lange es wohl halten mochte, mit Eva und mir.
    Im Hinblick auf einen alten Bekannten hatte Opa einmal einen Ausdruck benutzt, der gut auf mich gepasst hätte, den er über
     seinen Enkel jedoch niemals geäußert hätte:
Die Matratze brennt
,
da ist nichts zu machen
.
     
    Manchmal lag ich in Evas Arm und wünschte mir, dass es zu Ende ginge.
    Aus Angst davor.
     
    Eines Tages überraschte ich sie in unserem Biergarten im Wedding. Sie saß dort manchmal mit einem Buch unter den Bäumen am
     Wasser. Ich hatte sie zu Hause nicht angetroffen und war zu den Geschäften gelaufen, bei denen sie manchmal einkaufte oder
     herumbummelte und mit den Leuten plauderte, beim türkischen Gemüsehändler, beim Antiquariat, beim Blumenladen.
    Als ich kam, sah ich ihren dunklen Krauskopf neben einem rötlichen Lockenkopf sitzen, der genauso zappelig auf und ab wippte
     wie ihrer. Man hörte das Gegacker der beiden Mädchen schon von weitem. Als ich näher kam, blieb ich wie angewurzelt stehen:
     Wie ähnlich sie sich sahen!
    Die Erklärung war schnell gegeben, was sie nicht weniger verblüffend machte: Es war Evas Schwester Anka. Eva hatte sie nie
     erwähnt; sie knurrte. Spionierst du mir nach? fragte sie ungehalten.
    Es passte ihr nicht, dass ich etwas über sie herausgefunden |60| hatte. Ich war etwas verärgert über diese

Weitere Kostenlose Bücher