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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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eine Schnute.
    Och nee, sagte er, wir sind doch wegen dir hier!
    Eva lachte. Ist nett von euch, grinste sie, ich bin aber heute nicht in Stimmung für Gruppe. Komm, sagte sie zu mir und hakte
     sich bei mir ein, wir müssen mal nach dem Kater sehen.
     
    In dieser Nacht war ich vor Erleichterung außer mir. Sie wollte mit mir allein sein! Erst wollte sie eine Pizza essen gehen
     und Wein trinken. Vergnügt schob sie mir von ihrer Pizza kleine Stücke in den Mund, während ihre Lippen vom Salatöl glänzten.
     Wir sprachen über alles Mögliche, aber kaum drei Sätze über den Film. Als ich sie zwischendurch fragte, wie sie meine Kumpels
     gefunden hatte, zuckte sie nur mit den Achseln. Dazu kann ich noch nichts sagen, sagte sie, normal jedenfalls. Und sie wechselte
     das Thema. Sie krächzte inzwischen wie ein Rabe und bekam offenbar auch noch einen dicken Schnupfen. Trotzdem küssten wir
     uns auf dem Nachhauseweg im DAF immer wieder, und wir hörten nicht auf damit, als wir bei ihr ankamen, und wir schliefen miteinander,
     so wie wir es am Anfang getan hatten, nur viel freier und vertrauter. Als es hell wurde, musste ich mir auf die Zunge beißen,
     sie nicht wieder zu bitten, mich zu heiraten. Nein, es stimmt nicht: Es war vielmehr so, als hätten alle Worte mich verlassen,
     vor Glück.
     
    Für eine Zeit war alles sehr ungezwungen zwischen uns. Ich selbst stand wegen zahlreicher Prüfungen unter Druck, da ich mich
     im Wintersemester mit meinen philosophischen Neigungen etwas verzettelt hatte. Zivil- und Strafrecht sowie öffentliches Recht
     forderten meine gesamte Aufmerksamkeit; ich wollte die Scheine schaffen und musste pauken, auch wenn mir die Konzentration
     auf die »herrschende Meinung« schwerfiel. Ich hatte mich noch dazu in einem Seminar über Vernunftkonzepte festgebissen und
     wollte es nicht aufgeben; |66| ich las weiter Hegel und Kant. Meine Geschichtsseminare besuchte ich nur noch unregelmäßig, weil ich so viel Zeit mit Eva
     verbrachte. Anders als sie konnte ich den nachts versäumten Schlaf tagsüber nicht nachholen; unser juristischer Stundenplan
     war rigide, die Anwesenheit wurde kontrolliert.
     
    Die Jungs machten sich lustig über mich, als wir uns einige Tage nach unserem Kinobesuch zufällig in der Uni über den Weg
     liefen.
    Was, du gehst neuerdings spazieren? Wie hat sie das denn hingekriegt? stichelte Harro.
    Dafür siehste aber reichlich blass aus, feixte Oliver hinterher.
    Sie hatten mich früher immer einen lustfeindlichen Stubenhocker genannt, nach dem Motto
Körpersäfte sind ihm lästig
. Jetzt beneideten sie mich. Eva ging ein- oder zweimal mit zu einer Verabredung; sie spielte Billard, als hätte sie es gelernt,
     trank das Bier aus der Flasche, flirtete mit allen und blieb Robert gegenüber auf Distanz. Die Jungs nannten sie
leicht wie einen Vogel
, was mich maßlos ärgerte, weil es meine eigene Angst so ungeniert auf den Punkt brachte. Ich glaube, die Jungs nervten sie,
     was mich wiederum beruhigte. Sie interessierten sich nicht im geringsten für Kunst, außer Robert natürlich, der den Teufel
     tat, es hervorzukehren. Als die Jungs das nächste Mal anriefen und uns treffen wollten, entschuldigte sich Eva, sie hätte
     zu tun und keine Lust, also sagte ich ab; ich wollte sie nicht zu oft allein zu lassen.
     
    Sie hatte sich seit Semesterbeginn schon einige Male mit Kommilitonen getroffen, um ein Referat über »Geschlechtertheorien
     und Kunstgeschichte« vorzubereiten. Ich vermutete natürlich, dass es sich nur um
einen
Kommilitonen handelte; sie bemerkte meine Unruhe und brummte.
    Kannst ja kommen und alle kennenlernen.
    Ich könnte ja etwas für euch kochen, schlug ich vor.
    |67| Nette Idee, sagte Eva nur und grinste.
    Böses Mädchen, gab ich zurück und küsste sie.
    So lernte ich Silvie kennen (ich fragte mich insgeheim, wann sie sich mit ihr angefreundet hatte), Frank und Leonhardt. Über
     Frank ist nicht viel zu sagen, aber Leonhardt himmelte Eva unverhohlen an; er war ein großer, attraktiver Mensch und bewegte
     sich, als hinderten ihn seine Beinmuskeln an einem unauffälligeren Gang. Er hatte einen knallroten Botticellimund, schneewittchenweiße
     Haut und dunkle Locken. Sein Äußeres täuschte über seinen scharfen Intellekt hinweg; bald war ich mit ihm in heftige Diskussionen
     verstrickt, in denen ich feststellte, wie schrecklich naiv ich selbst und wie unzureichend meine philosophischen Kenntnisse
     waren. Leonhardt hatte seinen Derrida gefressen

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