Naechte der Leidenschaft
Emma. Es war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, Amaurys Männer würden annehmen, sie hätte die Burg zusammen mit Rolfe verlassen. Vermutlich ging Blake davon aus, dass sie Rolfe gebeten hatte, sie zu ihrem Schutz zu begleiten, bis sie auf Amaury getroffen wären. Schweigend warf sie ihrem Cousin noch einen Blick zu, ehe sie sich wieder auf das Nähen konzentrierte.
»Ja«, erwiderte Rolfe schließlich. »Es war schon alles vorbei, als wir eintrafen.«
Sie konnte fast hören wie Blake die Stirn runzelte, während er das verdaute. »Und wer hat dann die beiden Männer mit Pfeilschüssen niedergestreckt?«
Emma hielt den Atem an. Sie wollte weder, dass bekannt wurde, dass das Blut der Banditen an ihren Händen klebte, noch wünschte sie, dass ihr Können im Umgang mit dem Bogen allgemein bekannt wurde. Außer ihrem walisischen Lehrmeister war Rolfe der Einzige, der von ihrem Können wusste. Und ihr Vater hatte es gewusst, natürlich, aber er war tot. Wie auch ihr erster Ehemann davon gewusst hatte.
Emma seufzte, als sie daran dachte, wie sie Fulk davon erzählt hatte. Es war am Tag nach der Hochzeit gewesen. Sie hatte geglaubt, ihren Mann mit ihrem Können beeindrucken zu können. Verzweifelt hatte sie nach irgendetwas gesucht, womit sie seine Aufmerksamkeit erregen konnte. Denn er hatte kaum Notiz von ihr genommen, weder während der Hochzeitsfeier noch während des Essens am folgenden Morgen noch während des Tages.
Doch unglücklicherweise hatte es den Anschein gehabt, dass Fulk weniger beeindruckt als vielmehr entsetzt darüber gewesen war, mit welch undamenhaften Dingen sie sich beschäftigte. Auch heute noch fragte sich Emma, ob nicht auch das ein Grund dafür gewesen war, dass Fulk sich von ihr abgewandt hatte. Er war kurz danach, ohne ein Wort für sie, nach London gereist, um dort einige Zeit in seinem Haus zu verbringen. Vielleicht hatte er Emma nicht weiblich genug gefunden. Wie dem auch sei, allein die Möglichkeit, dass es so gewesen sein könnte, genügte, Emma bei dem Gedanken erschauern zu lassen, ihr zweiter Ehemann könnte es herausfinden. Sie wollte nicht erleben, dass auch er sich von ihr abwandte.
»Vielleicht war es Lord Darion«, meinte Rolfe schließlich, und Emma sackte vor Erleichterung zusammen.
»Lord Darion?« Blake sah ihn verständnislos an. »Ich habe noch nie von ihm gehört. Hat er eine Burg hier in der Gegend?«
Über die Schulter schaute Emma zu ihrem Cousin, der jetzt den Kopf schüttelte. In seinen Augen funkelte der Schalk, als er Emmas Blick erwiderte. »Nein. Lord Darion ist der Geist der Wälder. Und der Beschützer der Schwachen. Er steht unvorsichtigen Reisenden bei, die der Hilfe bedürfen ... immer mit Pfeil und Bogen.«
»Habt Ihr diesen Darion schon einmal gesehen?«
»O ja. Lord Darion hat mir schon ein- oder zweimal mein Leben gerettet. Beim ersten Mal war ich ein kleiner Junge.«
Emma verzog das Gesicht, als sie an die Begebenheit dachte, von der ihr Cousin sprach. Es war ein Jahr nach Rolfes Ankunft auf der Burg ihres Vaters gewesen und vielleicht ein, zwei Monate, nachdem Emma mit dem Bogenschießen begonnen hatte. Sie waren wie die Dorfkinder durch den Wald getollt und hatten »Erwachsensein« gespielt. Wie stets hatte sie darauf beharrt, der verwegen heranstürmende Lord Darion zu sein, und hatte ihrem Cousin damit keine andere Wahl gelassen als die Rolle des heimtückisch bösen Schurken. Sie hatten sich ausgedacht, dass Lord Darion darüber hinzugekommen war, als der Schurke ein kleines hilfloses Kind gemein behandelte. Natürlich hatte eine wilde Jagd zwischen ihnen begonnen, bei der es quer durch den Wald gegangen war. Ihr Cousin hatte in Führung gelegen, Emma ein gutes Stück zurück. Es war einer der seltenen Tage, an denen sie einen Rock angehabt hatte, der sie jetzt beim Laufen behinderte. Ihren Bogen hatte sie sich über die Schulter geworfen. Als Kind hatte Emma diesen Bogen überall und ständig mit sich herumgetragen, so sehr hatte sie sich darüber gefreut, dass ihr Vater es ihr erlaubt hatte, das Schießen damit zu lernen.
Plötzlich war vor ihr ein Schrei ertönt. Emma, die Gefahr spürend, war vorsichtig weitergegangen, immer den Geräuschen nach, die von einer Rauferei herrührten. Einer sehr kurzen Rauferei. Hinter einen Baum geduckt, war Emma stehen geblieben und hatte mit großen Augen auf zwei große, ziemlich gemein aussehende richtige Schurken gestarrt, die ihren Cousin gepackt hatten. Der eine hielt Rolfe unsanft am Arm fest,
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