Naechte der Leidenschaft
hat überhaupt nur zwei Tuniken. Er sagt, ein Kriegsmann hat keinen Bedarf an mehr als zwei. Die eine trägt er, wenn die andere gewaschen wird.« Seine junge Stirn legte sich in Falten. »Stimmt das, Mylady?«
»Nun ja ...« Emma hatte keine Ahnung, was sie dem Jungen antworten sollte. Sie hatte bislang niemanden ihres Standes gekannt, der nur zwei Tuniken besaß, aber schließlich war sie auch noch nie zuvor einem Kriegsmann begegnet. »Ich bin mir nicht sicher, Alden, aber wenn mein Gatte sagt, dass es so ist, dann wird es wohl so sein.«
»Ja«. Alden kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. »Aber mein Vater ist auch ein Kriegsmann, und er hat viele Tuniken. Sehr schöne sogar. Einige sind mit Edelsteinen geschmückt, genau wie sein Helmbusch.«
Emma zog die Augenbrauen hoch. »Und wer ist dein Vater, Alden?«
»Lord Edmund Northwood, er ist der Earl of...«
»Ja. Ich weiß«, unterbrach Emma ihn. Sie schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. »Wenn dein Vater ein Earl ist, warum bist du dann Squire bei Amaury?«
»Er ist der Beste.« Alden sagte es mit solchem Stolz, dass man meinte, er wäre für Amaurys Ruf und Können verantwortlich. »Mein Vater hat das gesagt. Lord Amaury bildet die bes-ten Ritter aus. Vater hat gesagt, wenn ich von ihm ausgebildet werde, dann werde ich ein hohes Alter und viele Titel erreichen und auf meinem Weg dorthin viele schöne Begebenheiten erleben. Vater hat gesagt, er würde mich keinem anderen anvertrauen.«
»Ich verstehe.« Emma schaute mit neuem Respekt auf ihren Mann. Er war nicht nur der Retter des Königs, sondern auch der Beste, wenn es galt, Ritter auszubilden. Selbst Grafen sagten das von ihm.
»Bestimmt ist mein Vater ein ebenso guter Kämpfer«, sagte Alden jetzt zu ihr.
»Ich bin überzeugt, dass er das ist«, stimmte Emma besänftigend zu.
»Auch wenn er viele Tuniken hat«, erklärte Alden gereizt, und Emma lächelte unmerklich über seinen offensichtlichen Kummer.
»Dein Vater ist ebenso ein Earl wie ein Kriegsmann. Und dementsprechend muss er sich kleiden.«
Alden nickte erleichtert. »Ja. Genau so ist es.« Dann richtete er sich lebhaft auf. »Da Lord Amaury jetzt ein Herzog ist, wird er auch mehr Kleider haben müssen.«
»Ja, vermutlich wird er das«, stimmte Emma mit einem Stirnrunzeln zu.
»Kleider sind wichtig.«
Sie zog die Augenbrauen hoch, als sie hörte, wie ernst er das gesagt hatte. »Ist das so?«
»Ja. Ich habe den König das sagen hören.«
»Ah ja.« Emma seufzte. Es stimmte. Rolfe hatte ihr auch schon berichtet, dass der König höchst interessiert an Mode war. Ohne Zweifel war sie in ihren einfachen Kleidern eine große Enttäuschung für den König gewesen. Wahrscheinlich eine ebenso große wie für ihren ersten Ehemann. Emma lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und betrachtete ihren Mann eingehend - das erste Mal, seit sie am Tag zuvor miteinander verheiratet worden waren.
Dies war die erste richtige Gelegenheit, ihn sich genau anzusehen, und sie ließ jetzt den Blick über seine harten Gesichtszüge gleiten.
Er ist ein gut aussehender Mann, dachte sie. Nicht so gut aussehend wie Fulk es gewesen war. Fulk hatte man fast schön nennen können - ein edler Hirsch mit schlanken Fesseln. Dieser Mann war von eher rauerer Art. Er war kräftiger und dunkler und ließ Emma an Wölfe und Bären denken.
Sie beugte sich über ihn und strich ihm das Haar aus der Stirn. Sogar im Schlaf hatte er diesen strengen, finster wirkenden Ausdruck auf dem Gesicht. Ihr Vater hatte auch ein strenges Gesicht gehabt, so wie auch Rolfe. Sie hatte die beiden nur selten schlafend gesehen, aber sie wusste, dass deren Gesichtszüge dann weicher wurden, fast jungenhaft. An ihrem Mann gab es nichts Jungenhaftes. Mehr als Blakes Worte es getan hatten, verriet ihr dies, dass seine Kindheit voll von Schmerz und Kummer gewesen sein musste. Selbst im Schlaf hatte er Angst, seine Wachsamkeit aufzugeben.
Ich werde das ändern, nahm Emma sich vor, ohne eigentlich zu wissen, warum sie das wünschte. Sie würde dafür sorgen, dass er ein gutes Heim hatte, auf das er stolz sein würde, und eine Frau, auf die er ebenso stolz sein konnte. Wenn er lange genug lebt, um das zuzulassen, dachte sie plötzlich und runzelte besorgt die Stirn.
5.
»Ist er aufgewacht?«
Emma sah den hoffnungsvollen Ausdruck ihres Cousins, als sie sich zur Abendbrotzeit mit an den Tisch setzte, und er seufzte, als sie den Kopf schüttelte. Sie hatte den ganzen Tag bei Amaury gesessen und
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