Naechte der Leidenschaft
also ganz offensichtlich seine Schuld.
Für Amaury war dies ein völlig logischer Gedankengang und er milderte seine Besorgnis darüber, wie eine Lady sich benehmen sollte oder nicht. Überdies gestattete diese Überlegung ihm, sich bei jeder Gelegenheit an seiner Frau zu erfreuen. Was er an den vergangenen drei Tagen in die Tat umgesetzt hatte - seit er sie im Ankleidezimmer ausfindig gemachte hatte. Und womit er auch gerade beschäftigt gewesen war, als sie verkündet hatte, dass dieser französische Laffe heute Amaurys Erscheinen zur Anprobe verlangte.
Amaurys Leidenschaft war bei ihrer Ankündigung wie eine Weintraube in der Sonne zusammengeschrumpelt - ebenso wie seine Männlichkeit. Das hatte seine Gereiztheit nur noch verstärkt und ihn veranlasst, seiner Frau seine Weigerung entgegenzuschleudern, ehe er von ihr heruntergestiegen war, um sich anzuziehen. Er fand die Aufgeblasenheit dieses abscheulichen kleinen Schneiders schon bei den Mahlzeiten unerträglich; sich dessen Blasiertheit auch noch zwischen den Mahlzeiten auszusetzen, war unvorstellbar. Außerdem brauchte er keine neuen Kleider. Er hatte bereits zwei Tuniken. Das reichte. Es ließ ihm eine zum Tragen, wenn die andere gewaschen wurde.
Trotzdem, dachte er jetzt bedrückt, ich hätte nicht so barsch zu ihr sein dürfen. Vermutlich hatte er ihre zartsinnigen Gefühle verletzt - und seine Frau schien sehr empfindlich zu sein. Zu dieser Überzeugung war er bereits nach drei Tagen gelangt - nachdem er begonnen hatte, sich der Schwierigkeit auszusetzen, mit ihr zu »reden«. Amaury war es ernst gewesen, als er gesagt hatte, dass Emma an den Gerichtstagen künftig an seiner Seite sein und ein Mitspracherecht bei allen Entscheidungen haben würde. Schließlich waren es auch ihre Leute. Und sie hatte sie bislang auch ohne Einmischung recht gut geführt.
Deshalb schuldete er es ihr, sie in die Entscheidungen einzuschließen, die er jetzt traf.
Aber mit einer Ehefrau zu reden war eine schwieriges Unterfangen. Zumindest anfänglich. Es war schließlich nicht so wie ein Gespräch unter Kameraden. Wenn er von seiner Frau auf ihre Geschlechtsgenossinnen schloss, dann kamen sie ihm tatsächlich wie ein Haufen empfindlicher Geschöpfe vor. Wenn er eine Entscheidung traf, stützte er sich dabei auf deren praktische Anwendbarkeit und auf Gerechtigkeit. Emma schien zu glauben, man solle dabei auch solche Dinge wie Gefühle und Wünsche in Erwägung ziehen. Sie war stets sehr aufmerksam, berücksichtigte Umstände, die er nicht bedacht hatte. Anfangs hatte es ihn beunruhigt, aber schließlich hatte er ihr weiches Naturell zu verstehen begonnen und empfand es nun als wohlgefällige Abrundung seines eigenen, das härter und pragmatischer war. Die Dinge waren nicht immer schwarz oder weiß; seine kleine Frau schien fähig, ebenso auch das Grau zu sehen. Nach drei Tagen, in denen er zunächst unbeholfen durch die Unterhaltungen mit ihr gestolpert war, hatte er das Reden leichter gefunden. Und lohnend. Er war stolz, es zu sagen: Seine Frau hatte einen klugen Verstand.
»Nein«, erwiderte er jetzt auf Blakes Frage. »Es war nicht das Beiliegen, das sie wollte. Sie hat versucht, mich zu überreden, den Tag eingesperrt in einem Zimmer mit diesem französischen Gockel zu verbringen und mich vermessen zu lassen. Sie scheint der Meinung zu sein, dass ich neue Kleider brauche.«
»Aha.« Blake zuckte die Achseln. »Nun, du hast nur die beiden Tuniken. Vielleicht befürchtet sie, es könnte dir bei Hof peinlich sein.«
Amaury verdrehte die Augen. »Ich bin schon vorher bei Hofe gewesen. Die Leute, die dort herumlaufen, sind eitel und dumm. Ich kümmere mich nicht um deren Meinung.«
»Vielleicht tut sie es aber.«
Bei diesem Einwand runzelte Amaury die Stirn. »Was meinst du damit?«
»Genau das, was ich gesagt habe ... vielleicht ist es ihr nicht gleichgültig, was die Leute sagen.«
Amaury bewegte sich unbehaglich, und ein Schatten der Besorgnis glitt über sein Gesicht. »Meinst du, es könnte ihr peinlich sein, mit mir am Hof zu sein?«
Mit einem Schulterzucken ging Blake an ihm vorbei und begann, die Treppen hinunterzusteigen. »Sie ist eine Herzogin, Amaury. Und du bist jetzt ein Herzog. Dieser Titel erweckt gewisse Erwartungen.«
»Verdammt!«
Blake blieb stehen und wandte sich um. Amaury stand noch immer auf dem Treppenabsatz, einen ratlosen Ausdruck auf dem Gesicht. Ehe er etwas sagen konnte, öffnete sich ein Stück den Gang hinunter eine Tür. Blake sah
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