Nächte des Schreckens
gewidmet, wie die Presse ihn inzwischen nennt.
Seit einiger Zeit wird die feine Wiener Gesellschaft von einem geheimnisvollen Räuber heimgesucht. Was die polizeilichen Ermittler dabei so verwirrt, ist jedoch weniger die Art seines Vorgehens, als vielmehr seine verblüffend gute Kenntnis der Lebensgewohnheiten seiner Opfer.
Es klingelt an der Tür. Minna lächelt zufrieden. Friedrich war gerade wieder bei der Arbeit. Er kehrt zur vereinbarten Stunde zu ihr zurück, was bedeutet, daß alles gut verlaufen ist.
Und tatsächlich, Friedrich strahlt. Er hält einen kleinen Leinensack in der Hand, dessen Inhalt er jetzt auf den Tisch wirft. Unterdessen holt Minna unter einer chinesischen Vase ein Schreibheft hervor, in das sie säuberlich einträgt: »... 23. September. Bei der Gräfin Fosdorf gestohlen: ein Diamantarmband und eine Diamantbrosche, ein brillantbesetzter Ehering. Smaragdohrringe.« Mit der Beute in der Hand erhebt sich die alte Dame und murmelt: »Das Armband und die Brosche zu den übrigen Diamantstücken in die Suppenterrine, den Ehering in die Zuckerdose, die Smaragde... ach ja, die kommen in die Küche ins Marmeladenglas...«
Während sie sich aus dem Zimmer entfernt, ruft Friedrich ihr nach: »Da Sie schon dabei sind, Minna: Können Sie mir die Perlen aus dem Kochtopf mitbringen? Ich glaube, ich habe jetzt einen seriösen Händler aufgetrieben.«
Die Gräfin kehrt mit einer Handvoll Perlenketten zurück. »Da, nehmen Sie, mein Junge. Aber lassen Sie sich nicht wieder so übers Ohr hauen wie neulich bei den Rubinen!« Der junge Dieb wirkt leicht verwirrt.
»Das war schon immer meine schwache Stelle. Ich verspreche Ihnen, beim Preis diesmal hart zu bleiben. Äh... wollen Sie wirklich keine prozentuale Beteiligung?«
»Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich keine will, und ich bitte Sie, nicht wieder davon anzufangen. So, jetzt wollen wir den Fall des Barons und der Baronin von Buch untersuchen!«
Friedrich Bergen betrachtet die alte Dame mit einem Ausdruck erstaunter Bewunderung.
»Alles, was recht ist, Gräfin, Sie sind wirklich ein toller Kerl!«
17. Oktober 1958. Ganz Wien spricht mittlerweile vom »Dieb des dritten Bezirks«. Dieser setzt seine Beutezüge fort und trifft mit geradezu diabolischer Genauigkeit immer dann am Tatort ein, wenn seine Opfer abwesend sind.
Es klingelt an der Tür der Gräfin von Kloster. Sie ist überrascht, denn an diesem Tag hatte sie Friedrich nicht erwartet. Weshalb mag er jetzt wohl zu ihr kommen? Hoffentlich ist nichts schiefgegangen!
Die Gräfin öffnet die Tür und stößt einen Seufzer der Erleichterung aus. Vor ihr steht ein Mann in Uniform und Mütze.
»Ich komme, um das Gas abzulesen, gute Frau. Kann ich bitte einen Blick auf Ihren Zähler werfen?«
Mit trippelndem Schritt geht Minna dem Mann auf dem Weg in die Küche voraus. Gerade als sie ihm den Zähler zeigen will, vernimmt sie eine harte Stimme in ihrem Rücken: »Wehe, Sie schreien! Rühren Sie sich nicht von der Stelle und leisten Sie keinen Widerstand, wenn Sie nicht wollen, daß ein Unglück passiert!«
Minna dreht sich um. Der Mann hält einen Schlagstock in der rechten Hand und betrachtet sie mit drohender Miene. »Setzen Sie sich auf den Küchenstuhl! Haben Sie hier irgendwo ein Stück Schnur?«
Mit erstickter Stimme erwidert die Gräfin: »Ja, in der ersten Schublade in der Anrichte.«
Sie ist fassungslos. Natürlich hatte sie sich ein Leben voll aufregender Abenteuer gewünscht, aber das ist etwas zuviel des Guten. Jetzt wird man sie tatsächlich ausrauben wie eine ganz gewöhnliche hilflose Alte, ausgerechnet sie, die zur Elite der Einbrecher gehört!
Während sie sich, an ihren Stuhl gefesselt, solch düsteren Gedanken hingibt, beginnt der angebliche Gasableser, die Wohnung zu durchsuchen. In der Küche fängt er an...
Als er das zweite mit Smaragden gefüllte Marmeladenglas entdeckt, stößt er einen überraschten Schrei aus. Er kann es nicht fassen, so reiche Beute zu finden, selbst, wenn es sich hier um eine Dame der guten Gesellschaft handelt.
Der Mann entfernt Minna den Knebel und fragt dann: »Haben Sie noch mehr von den Dingern?«
Doch die Gräfin hat sich inzwischen von dem Schock erholt und antwortet kühl: »Ich weiß nicht. Sehen Sie mal in dem Heft unter der Blumenvase im Salon nach, dort finden Sie weitere Einzelheiten...«
Sie wartet ein paar Minuten, bis der Dieb mit dem Heft in der Hand zu ihr zurückkehrt. Stotternd liest er vor: »23. September. Bei der
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