Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nächte im Zirkus

Nächte im Zirkus

Titel: Nächte im Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Carter
Vom Netzwerk:
auch, aber er war zu tief in seine eigenen ekstatischen Träumereien versunken, als daß er mich gehört hätte. Ich dachte, zum allermindesten könnte er noch eine Flasche Wein auffahren, wenn er schon das ewige Leben zum Schleuderpreis bekam und ich nur den halben Gewinn aus diesem bizarren Geschäft zog, doch er war für den Augenblick blind und taub, lauschte nur den unsichtbaren Engeln, die ihm in die Ohren schrien, so daß ich laut mit dem Buch auf den Tisch schlug, worauf im Nu einer seiner Grobiane erschien - aus einer Art Geheimtür, die in der Täfelung verborgen war.
    ›Wenn der Herr nicht durch die Gegenwart seiner Besucherin so überwältigt wäre, würde er sicherlich noch eine Flasche Wein kommen lassen‹, sage ich. ›Probieren wir mal den Achtundachtziger, wenn der Keller das bringt.‹
    (Denn ein gutes Glas Wein schätze ich sehr, wenn sich die Gelegenheit ergibt, Mr. Walser.)
    ›...verglichen mit den hermetischen Adepten sind die Monarchen arm zu nennen‹, murmelt Mr. Rosencreutz traumverloren, und der Grobian blinzelt mir zu, während er das schmutzige Geschirr aufs Tablett häuft, und flüstert: ›Seine Brieftasche hat er immer in der obersten Schublade im Schreibtisch im Schlafzimmer, wenn du sie findest, kannst dich an mich erinnern.‹
    In der Tat kann ich mich an ihn erinnern, es ist der, der mir an den Titten rumgemacht hat, und beinahe tut mir mein armer Pinsel leid - von seinen Bedienten ausgenommen, von Scharlatanen genarrt; aber da kommt der Spitzbube mit der Flasche zurück, Mr. Rosencreutz erwacht, sagt: ›Was soll das? Kann deine geistigen Potenzen nicht durch niedere Säfte abstumpfen lassen!‹ und gießt den Rotwein in die Vase mit den weißen Rosen, die erröten. So muß ich auf einem entsetzlich harten Stuhl sitzen, durstig, daß mir die Zunge heraushängt, und auf die Morgendämmerung warten, damit wir unser Geschäft hinter uns bringen.
    Denn mein Plan ist es, mir dann mein Geld auszahlen zu lassen und zu verschwinden.
    Nicht - niemals! - zurück zu Madame Schreck natürlich, sondern direkt nach Hause nach Battersea, denn das, was Mr. Rosencreutz bereit ist, für das Privileg zu bezahlen, daß er ein Fetzchen Gewebe perforieren darf, damit kann meine ganze Familie hinfort behaglich existieren, das kann ich Ihnen sagen. Und ich verlebte die Stunden dieser kurzen Sommernacht glücklich genug, dumm wie ich war, denn ich war eifrig mit dem Bau von Luftschlössern beschäftigt, während Mr. Rosencreutz seine kryptischen Litaneien wiederholt, denn die Apotheose, die ihm, wie er glaubt, in meiner Umarmung winkt, erregt ihn dermaßen, daß er halb von Sinnen scheint.
    Irgendwo schlägt eine Uhr die Stunden, und als es vier, viertel fünf ist, faßt er sich ein wenig und sagt mir, ich müsse mich nun vorbereiten.
    ›Wie soll ich mich vorbereiten, Meister?‹ frage ich listig.
    ›Durch reine Gedanken‹, erwidert er und nennt mich: ›Königin der Zweideutigkeiten, Göttin der Zwischenstufen, Wesen auf der Grenze der Arten, Manifestation von Arioriph, Venus, Achamatoth, Sophia.‹
    Ich kann Ihnen kaum sagen, was für ein Schreck mich durchfuhr, als er mich ›Sophia‹ nannte. Wie war er auf meinen Taufnamen gekommen? Es war, als sei ich dadurch in seiner Macht, daß er meinen Namen wußte, und obwohl ich gewöhnlich nicht abergläubisch bin, wurde ich nun seltsam beängstigt.
    ›Herrin der Nabe des himmlischen Rades, Kreatur halb aus Erde, halb aus Luft, Jungfrau und Hure, Versöhnerin von Fundament und Firmament, Versöhnerin der gegensätzlichen Zustände kraft der Vermittlung deines ambivalenten Leibes, Versöhnerin der erhabenen Gegensätze von Tod und Leben, du, die du mir weder nackt noch bekleidet gegenübertrittst, warte nun mit mir auf die Stunde, da es weder dunkel noch licht ist, die Stunde der Dämmerung vor Tagesanbruch, wenn du dich mir hingeben wirst, ich dich aber nicht besitzen werde.‹
    Hingeben, so ein Witz! dachte ich - bedenkt man die Summe Geldes, die hier den Besitzer wechseln sollte. Nach außen aber gab ich mich unterwürfig und fragte mit demütiger Stimme: ›Wie soll ich dies tun, großer Weiser?‹
    ›Den Rest des Rätsels mußt du zur vorbestimmten Stunde lösen‹, psalmodiert er. Das mußte mir also genügen.
    Sie werden sich zu Recht fragen, Sir, warum ich nicht einfach aus dem Fenster hinaus und auf und davon bin, aber alles, was ich über meinen Aufenthaltsort wußte, war, daß er irgendwo in den Bezirken um London lag - genauer konnte ich

Weitere Kostenlose Bücher