Nächte in Babylon
Sie die DVD sogar umsonst. Sagen Sie mir, was Sie gefunden haben?«
»Einen Mann«, antwortete Spandau. »Einen Mann mit einem sehr merkwürdigen Hobby.«
Spandau brachte die DVD nach Santa Monica in ein Video-Labor, mit dem die Detektei häufig zusammenarbeitete. Irv, der zottelige Typ, dem der Laden gehörte, sah aus wie Jerry Garcia. Spandau hatte ihn noch nie ohne eine Büchse Dr Pepper in der Hand gesehen. Irv war einer der wenigen Videoüberwachungsexperten in L. A., denen man tatsächlich über den Weg trauen konnte. Die meisten anderen verschafften sich nämlich einen kleinen Nebenverdienst damit, dass sie Kopien ihrer Aufnahmen an die unterschiedlichsten Abnehmer verhökerten. Ob es um Industriespione, untreue Filmstars oder kolumbianische Drogenhändler ging, man verkaufte die Filme erst an den Auftraggeber, dann an den, den man gefilmt hatte, und zuletzt im Ganzen an CNN oder in Einzelbildern an die Regenbogenpresse. Es war ein überaus lukratives Gewerbe. Da Irv aber oft für staatliche Stellen tätig wurde, konnte er sich ein derartig cleveres Geschäftsgebaren nicht leisten, wenn er nicht eines Tages durch eine vergiftete Büchse Dr Pepper ein unschönes Ende finden wollte.
Irv nuckelte wie immer an seinem Gesöff und rülpste dezent vor sich hin, eine ganze Salve nach Dörrpflaumen duftender Bäuerchen.
»Der Mann hatte recht«, sagte er zu Spandau. »Die Anlage ist Schrott. Billige Kamera, billiges Objektiv. Mit einer guten Ausrüstung könntest du bei dem Kerl die Nasenhaare zählen.« Er spielte ein bisschen an dem Bild herum, was aber nicht viel brachte. »Mehr kann ich nicht für dich tun. Sorry. Aber immer noch besser, als in die hohle Hand geschissen.«
»Wenn du es sagst.«
Irv war beleidigt. »Du brauchst deine miese Laune nicht an mir auszulassen. Wer Schrott sät, wird Schrott ernten. Diese Branche ist eine der wenigen, wo Geld tatsächlich eine Rolle spielt. Sag diesen Leuten, sie sollen in eine bessere Anlage investieren, und hör auf zu nerven. Ich kann nicht zaubern.«
»Druckst du mir ein paar Standbilder aus? Auf 11 x 14?«
Irv seufzte. »Geht klar. Aber die werden auch nicht besser. Stroh zu Gold spinnen kann ich nämlich auch nicht. Schrott ist Schrott ist Schrott ist Schrott. Kapiert?«
»Danke, Gertrude Stein«, sagte Spandau.
Irv riss den Mund sperrangelweit auf und rülpste laut. »Bitte, Alice Toklas. Und jetzt kannst du mir den Hintern küssen.« Damit verschwand er im Hinterzimmer, um Einzelbilder auszudrucken. In einem früheren Leben hatte Irv in New York Literatur studiert, und er war nicht gewillt, sich auf diesem Gebiet von einem Privatschnüffler in Cowboystiefeln die Butter vom Brot nehmen zu lassen.
9
Sie saßen in Annas Wohnzimmer. Pam legte die DVD ein und gab Spandau die Fernbedienung. Er drückte auf Schnelldurchlauf und ließ die Aufnahme dann mit normaler Geschwindigkeit weiterlaufen.
»11.37 Uhr. Da ist er. Dunkle Jacke, Baseballmütze. Er geht vorbei, sieht durchs Fenster, blickt sich um. Ganz cool und lässig. Er sucht nach Ihnen.«
Er spulte ein Stück vor.
»Jetzt ist es 13.40 Uhr. Da verlassen Sie das Restaurant. Sie bleiben auf dem Bürgersteig stehen, unterhalten sich mit den Frauen. Der Lincoln fährt vor. Und dann …« Er sprang von Einzelbild zu Einzelbild.
»Hier kommt er … Immer näher … Beugt sich etwas rüber … Da! Erkennen Sie das? Wie es in der Sonne blitzt? Ungefähr auf Taillenhöhe, eine schmale Klinge. Möglicherweise ein Rasiermesser.«
Er ließ die DVD zurücklaufen, und sie sahen sich die Szene noch einmal an.
»Sehen Sie, wie er die Waffe verbirgt? Er trägt Handschuhe und hält die Klinge zwischen den Fingern. Jetzt macht er eine Faust, sehen Sie? Und die Klinge schaut heraus. Er öffnet die Hand wieder, und man sieht die Klinge nicht mehr. Er hat sich einen Spezialhandschuh gebastelt. Auf eine makabere Art ganz schön clever. Damit steht jedenfalls fest, dass er es nicht aus einer plötzlichen Eingebung heraus getan hat.«
Er sah Anna an. Sie war blass und sehr still geworden.
»Geht es noch?«, fragte er.
»Darauf könnte ich einen ordentlichen Schluck vertragen«, sagte sie zu Pam.
»Da bist du nicht die Einzige«, antwortete ihre Schwester. »Mr. Spandau?«
Einen ordentlichen Schluck? O ja, nur immer her damit. Ja, bitte.
»Nein, danke«, sagte Spandau.
Nachdem Pam hinausgegangen war, um die Getränke zu holen, zog er die verschwommenen Standbilder heraus.
»Bessere Abzüge waren nicht drin. Erkennen
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