Nächte in Babylon
er schließlich.
»Hast du getrunken?«
»Ich wollte mit dir reden.«
»Was möchtest du mir sagen, David?«
Nichts. Ich habe nichts zu sagen. Ich liebe dich, aber das kann ich nicht aussprechen.
»Du musst damit aufhören«, sagte Dee leise. »Du darfst mich nicht immer anrufen, David. Kannst du noch fahren?«
»Locker. Leicht.« Gelogen.
»Ich kann jetzt nicht reden, David. Ich melde mich später.«
»Bist du bei ihm? Ist er da?« Nun war es draußen. Wie jämmerlich es klang. Sag es, auch wenn es mich umbringt, sag es, und dann Schwamm drüber.
»Darauf gehe ich nicht ein, David. Fahr nach Hause. Sei vorsichtig. Und trink nichts mehr.«
Ende. Das war’s. Kein Blackout, nur Selbsthass, weil er so schwach und hilflos war. Es gelang ihm nicht, sie zu hassen. Er konnte es ihr nicht verdenken, dass sie ihn verlassen hatte. Es war seine eigene Schuld. Er hasste sich, weil er so war, wie er war. Er hieb mit der Faust gegen die Wand der Toilettenkabine, mit solcher Wucht, dass das Blech verbeulte, als ob er sich selbst bestrafen müsste, weil er sich immer wieder selber das Leben versaute. Frank und Walter stürzten herein. Als Frank ihn von der Wand wegzog, wäre Spandau um ein Haar auf ihn losgegangen. Frank wich zurück und nahm die Hände hoch.
»Bist du jetzt total durchgeknallt?«, fragte er.
Walter sagte: »Er hat bloß einen seelischen Durchhänger, Pancho. Geh wieder rüber, kümmere dich um deine Theke.«
»Ihr bringt mich noch ins Grab.« Frank verschwand nach nebenan.
»Lass dich nicht aufhalten«, sagte Walter zu Spandau. »Hau das ganze Ding zu Klump. Ich übernehme die Rechnung.«
Spandau lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und ließ sich auf den Boden rutschen. Er vergrub den Kopf in den Händen. Walter setzte sich neben ihn.
»Wir sitzen auf einem vollgepissten Fußboden«, sagte Walter. »Nur, dass du’s weißt.«
Spandau schwieg, und er nahm auch den Kopf nicht hoch.
»Hast du sie angerufen?«
Er nickte.
»Was Blöderes konnte dir gar nicht einfallen«, sagte Walter. »Und ich muss es wissen, ich bin Experte darin. Hat nicht geholfen, oder?«
»Nein.«
»Hat’s wahrscheinlich nur noch schlimmer gemacht.«
»Ich weiß überhaupt nichts mehr.«
»Scheiße auch, Kumpel. Da geht’s dir wie dem Rest der Welt. Bist eben auch nur ein Mensch. Willst du darüber reden?«
»Nein.«
»Gut«, sagte Walter. »Das bringt sowieso nichts.«
Unter deftigem Gefluche gelang es ihm nach einigen Anläufen, wieder auf die Beine zu kommen. Er streckte Spandau die Hand hin. Der brauchte einige Sekunden, bevor er sie ergriff. Während Walter ihn hochzog, wären sie um ein Haar noch einmal zu Boden gegangen.
»Los, komm«, sagte Walter. »Du möchtest dir doch bestimmt nicht entgehen lassen, was Frank für ein Gesicht macht, wenn ich ihm in seine Eismaschine kotze.«
Sie schwankten zurück ins Lokal.
8
Spandau kroch am nächsten Morgen erst spät aus dem Bett, mit einem Kater, der seine schlimmsten Befürchtungen noch übertraf. Er trank ein Glas Wasser, übergab sich, trank noch ein Glas Wasser. Er schaffte es, sich eine Kanne Kaffee zu kochen. Etwas zu essen wäre nicht schlecht gewesen, aber er hatte keine Ahnung, wo ein Frühstück herkommen sollte, denn dass er sich selbst etwas zubereitete, war ausgeschlossen. Das elende Grauen, das ihn erfüllte, war fast genauso schlimm wie der Kater. In der letzten Nacht war sein Leben noch ein bisschen mehr aus den Fugen geraten, und die Konsequenzen würden nicht lange auf sich warten lassen. Er ergab sich in sein Schicksal und rief im Büro an.
»Bist du jetzt stolz auf dich?«, fragte Pookie.
»Bitte, verschon mich. Bitte.«
»Er ist auch noch nicht hier. Immerhin hat er sich trotz Würfelhusten abgemeldet. Und wir hatten einen Anruf von Pam Mayhew. Du hast den Job. Wieder mal ein Triumph des Charmes über Sinn und Verstand.«
»Ich muss ein paar Sachen überprüfen. Den Bericht reiche ich nach.«
»Dann sorge ich schon mal dafür, dass dir die Times auf der Titelseite eine Spalte frei hält«, sagte Pookie.
Spandaus BMW stand noch vor dem Pancho’s. Frank hatte sie in ein Taxi gesetzt und den Fahrer angewiesen, sie auch ja heil zu Hause abzuliefern, wenn er sich nicht den ewigen Zorn der gesamten Polizei von Los Angeles zuziehen wollte. Dass Spandau sich zu seinem eigenen Wagen zurückkutschieren lassen musste, war für ihn der Gipfel der Demütigung – vielleicht aber auch eine heilsame Lehre. Frank, der gerade aufgemacht hatte, sah
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