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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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voll zu tun. Die alten Schachteln wollten alle ihre Wagen haben. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass sie da war, mehr nicht.«
    Spandau fasste in seine Jacke. Der Junge sah sich schon in Handschellen oder mit einer Kugel im Leib. Stattdessen drückte Spandau ihm eine Visitenkarte und einen Zwanzigdollarschein in die Hand.
    »Falls sich der Nebel lichtet und Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie diese Nummer an. Könnte sein, dass da noch mehr zu holen ist.«
    Der Junge lebte förmlich wieder auf. »Ich dachte, Sie hätten was gegen Belohnungen«, sagte er.
    »Gespaltene Persönlichkeit.« Spandau beschrieb mit dem Zeigefinger kleine Kreise neben seiner Schläfe. »Beim letzten Mal hab ich mir einen Wagenheber geschnappt und den Typen halb tot geprügelt. Man kann nie wissen.«
    Der Restaurantchef hatte einen stümperhaft mit Make-up abgedeckten Pickel am Kinn. Mit Anfang dreißig war er viel zu jung und unerfahren, um in Beverly Hills ein Restaurant dieser Größe zu leiten, und das wusste er selbst. Obwohl er den iranischen Besitzer, einen knauserigen Ganoven, hasste und fürchtete, musste er noch ein Jahr durchhalten. Dann konnte er sich bei einem der angesagteren Nobelschuppen bewerben, vielleicht sogar bei Gordon Ramsay. Hier hatte er es fast ausschließlich mit Krampfaderngeschwadern zu tun, die mittags zum Lunch einfielen, geriatrischen Ex-Stars, die stundenlang auf ihrem Falschen Hasen herummümmelten, weil sie das Schlucken vergaßen. Dafür, dass er seine kostbare Zeit mit Spandau verplemperte, hätte ihn der Besitzer mit Sicherheit zur Schnecke gemacht, aber er war froh um die Ablenkung an einem Tag, an dem er ansonsten hauptsächlich damit beschäftigt war, einen Ersatz für den mexikanischen Kellner zu finden, den er in der vergangenen Woche gefeuert hatte. Sie setzten sich in sein Büro, in dem eine Phalanx von Monitoren an der Wand hing.
    »Ein Glück, dass Sie nicht später gekommen sind«, sagte er. »Normalerweise bewahren wir die Aufnahmen nur vierzehn Tage auf, dann werden sie wieder überspielt. Der Besitzer ist ein Geizkragen. Wollen wir mal sehen, Kamera vier …«
    Er legte eine DVD ein.
    »Mittags, sagten Sie?«
    »Sie ist etwa um zwölf gekommen und so um halb zwei wieder gegangen«, antwortete Spandau. »Ich würde sagen, ab halb zwölf bis zu ihrem Eintreffen und dann weiter, bis sie geht.«
    Der Restaurantchef spulte die Disc mit Blick auf den Timecode vor. Um 11.30 Uhr hielt er sie an.
    »Da wären wir. Dürfte ich fragen, wonach Sie suchen?«
    »Das weiß ich selber noch nicht«, antwortete Spandau wahrheitsgemäß.
    Die Einzelbilder ruckelten vorbei, zwei für jede Sekunde. Die Menschen bewegten sich wie in einem Chaplin-Film: Sie wackelten rein, sie wackelten raus, sie watschelten auf dem Bürgersteig vorbei. Dann endlich: »Das ist sie«, sagte Spandau. »Da. Fünf vor zwölf. Okay, springen Sie zu der Stelle vor, wo sie das Restaurant wieder verlässt.«
    Der Mann drückte auf den Vorspulknopf. Um 13.33 Uhr kam sie aus der Tür.
    »Da«, sagte Spandau.
    Anna trat auf den Bürgersteig hinaus. Sie wurde von einigen Frauen angesprochen und wechselte ein paar Worte mit ihnen. Der schwarze Lincoln Navigator fuhr vor. Kurz bevor Anna sich von den Frauen abwandte, kam von rechts eine kleine Männergestalt in einer dunklen Jacke ins Bild, ging an ihr vorbei, streifte sie leicht und verschwand. Anna bemerkte kaum etwas davon. Sie wich ihm einen halben Schritt zur Seite aus, redete noch einen Moment mit einer der Frauen und stieg in den Geländewagen.
    »Kann ich das noch mal sehen?«
    Sie spielten es ein zweites Mal ab.
    »Können Sie näher ranzoomen?«, fragte Spandau.
    »Ja, aber es wird Ihnen nicht viel bringen. Wie ich schon sagte, es ist eine beschissene Anlage.«
    Der Restaurantchef ließ die Disc ein Stück zurücklaufen und zoomte die Szene heran. Das Bild zerbrach in einzelne Pixel. Spandau machte ein nachdenkliches Gesicht.
    »Jetzt noch mal zurück auf 11.30 Uhr.«
    »Sind Sie schon fündig geworden?«, fragte der Mann.
    »Fast.«
    Sie gingen zurück auf halb zwölf und sahen sich die Szene noch einmal an. Plötzlich rief Spandau: »Stopp, anhalten!«
    Das Bild fror ein. Spandau rückte näher an den Monitor heran und starrte auf das vergrößerte, verschwommene Bild von Anna und dem kleinen Mann, der die Hand nach ihr ausstreckte.
    »Könnten Sie mir eine Kopie davon machen?«
    »Kein Problem«, sagte der Restaurantchef. »Wenn Sie es dem Besitzer nicht verraten, kriegen

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