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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
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Einkäufe eingeräumt hatte, ging er zu seiner Mutter ins Wohnzimmer, die in einem prall gepolsterten Sessel thronte, den Blick wie gebannt auf den flackernden Bildschirm geheftet. Stumm steckte sie sich eine Zigarette an, ohne den schlecht frisierten Fernsehprediger in dem teuren Anzug aus den Augen zu lassen, der ihr ihre Sündhaftigkeit um die Ohren haute.
    »Dann mach ich uns heute Abend das Hühnchen, ja?«, sagte Perec, wieder auf Französisch. Sie weigerte sich, Englisch mit ihm zu sprechen.
    »Nein.«
    »Aber du wolltest doch Hühnchen.«
    »Jetzt nicht mehr.«
    »Willst du lieber die Lasagne?«
    Mamam grunzte verächtlich.
    »Hühnchen oder Lasagne, Maman?«
    »Mir egal. Schmeckt sowieso alles gleich.«
    Perec ging in die Küche und schmiss das Hühnergericht in die Mikrowelle. Als es heiß war, packte er es auf ein Tablett, dazu ein Glas billigen Rotwein. Er faltete ein Küchentuch, legte Messer und Gabel darauf. Ein prüfender Blick noch, ob er auch ja nichts vergessen hatte. Sonst würde sie ihn wieder zur Schnecke machen. Das kleine, runde Brötchen fehlte. Er nahm eins aus der Tüte und legte es an den Tellerrand. Ein rührender Hauch von Eleganz. Perec zog die Schublade neben der Spüle auf und holte aus dem hintersten Winkel ein Pillenröhrchen heraus. Er zerdrückte mehrere Tabletten mit dem Löffel und rührte ihr das Pulver in den Wein.
    »Wann lernst du endlich kochen?«, knurrte sie, als er ihr das Tablett hinstellte.
    »Ich hab keine Zeit zum Kochen.«
    »Was für ein Fraß.«
    »Dann koch doch selber was.«
    »Ich bin ein Krüppel!« Anklagend hob sie ihre arthritischen Hände gen Himmel. »Das habe ich davon, dass ich dich großgezogen habe. Dass ich zum Krüppel geworden bin.«
    Als Perec hinausgehen wollte, fragte sie: »Wo denkst du denn, wo du jetzt hingehst?«
    Er machte kehrt und half ihr aus dem Sessel, damit sie vor dem Fernseher niederknien konnte. Er kniete sich neben sie. Sie schloss die Augen und murmelte ein langes, inbrünstiges Gebet auf Französisch. Perec beobachtete sie genau. Als sie fertig war, half er ihr wieder in den Sessel.
    »Musst du mal aufs Klo?«
    Sie nickte. Bevor er auf der Toilette alles vorbereitete, ging er noch schnell in sein Zimmer, riss ein paar Seiten aus seiner Bibel und steckte sie ein. Dann klappte er den Klodeckel hoch und stellte ihr die Schüssel mit dem Wasser zum Waschen hin. Nachdem er sie aus dem Wohnzimmer herübergehievt hatte, nahm er ihr die Windel ab und setzte sie vorsichtig aufs Töpfchen. Er wandte sich ab, während sie unter lautem Gepladder ihren Darm entleerte, und half ihr anschließend wieder auf die Beine. Sie bückte sich, und er putzte ihr mit den Bibelseiten gründlich den Hintern ab. Bevor sie etwas davon mitbekam, spülte er die Blätter schnell im Klo runter. Weil sie ein bisschen in die Windel gepinkelt hatte, legte er ihr eine neue an. Sie war durchaus in der Lage, allein zur Toilette zu gehen, aber sie ließ sich lieber begleiten. Perec brachte sie zurück ins Wohnzimmer und wuchtete sie wieder in ihren Sessel.
    »Wo willst du hin?«
    »Auf mein Zimmer.«
    »Und was machst du da? Schweinische Sachen?«
    »Nein, Maman.«
    »Lügst du auch nicht? Du bist ein Mann, ein Tier. Alle Männer sind widerwärtige Selbstbeflecker.«
    »Nein, Maman. Ich lese bloß.«
    »Wahrscheinlich Schund. Leg die Bibel dahin, wo du sie sehen kannst. Dann wird sie dir eine Mahnung sein.«
    »Ja, Maman«, sagte er.
    Perecs Zimmer war so karg eingerichtet wie eine Mönchszelle. Ein schmales Bett mit einer Decke und einem kleinen Kopfkissen. Ein Schreibtisch, ein Stuhl. Neben dem Bett ein Nachtschränkchen mit einer Lampe. Über dem Bett ein Kruzifix. Keine Fotos, keine Poster, keine Erinnerungsstücke, nichts Persönliches. Maman hätte so etwas nicht gern gesehen, und Perec war es egal. Dieses Zimmer war nur zum Schlafen da. Das Leben spielte sich woanders ab. Perec legte sich aufs Bett, starrte an die Decke und wartete.
    Eine halbe Stunde später ging er ins Wohnzimmer. Maman war eingeschlafen. Er packte sie bei den Haaren und schüttelte ihren Kopf hin und her. Sie murmelte etwas, wachte aber nicht auf. Wieder zurück auf seinem Zimmer, schloss er die Tür hinter sich ab. Sicher ist sicher. Er machte den Wandschrank auf, schob ein paar Kleiderbügel zur Seite, holte den Schreibtischstuhl und stellte ihn in den Schrank. Er stieg auf den Stuhl, reckte sich und kletterte durch eine kleine Luke hinauf in das eigentliche Zentrum seines Lebens.
    Annas

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